Freitag, 29. August 2008

BONBONNIÈRE (28)

Angela Merkel, Michaëlle Jean, Helen Clark, Ségolène Royal und Hillary Clinton – Frauen erobern die Welt bzw. sie versuchen es. Und das nicht nur in der Politik. Nein! Was wäre das Fernsehen ohne die adrette Maybrit Illner oder die kesse Anne Will? An den Universitäten verzeichnete das Statistische Bundesamt 2005 das erste Mal mehr Absolventinnen als Absolventen. Und auch an den Gymnasien sind prozentual mehr Mädchen als Jungens zu finden. Die Mädchen und Frauen von heute - überall drängeln sie sich hinein. Zu verdanken haben sie ihre Chancen vor allem der Frauenbewegung der 1970er Jahre, deren Mitwirkende Frauenquoten und andere Instrumente der Frauenförderung erstritten. Doch wir haben die Nase voll von dem Gequatsche über Geschlechtergleichheit und den armen Frauen, denen immerzu Vorrang eingeräumt werden soll; uns dreht sich der Magen um, wenn es in Stellenanzeigen heißt, dass Frauen und Schwerbehinderte bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden würden. Es reicht! Langsam wird es Zeit, mal wieder die Männer zum Zuge kommen zu lassen. MÄNNERFÖRDERUNG lautet daher das Gebot der Stunde.

Jungen werden später eingeschult, bleiben häufiger sitzen und sind nur noch zu 46 Prozent an Gymnasien vertreten. Ein Grund dafür ist – so behaupten einige Wissenschaftler – die „Feminisierung der Schule“. Jungen fehle sowohl in den Kindergärten als auch in den Grundschulen die männlichen Vorbilder, die ihnen geschlechtsspezifisches Verhalten vorleben. Auch könne weibliches Lehrpersonal die Kinder nicht in typische männliche Arbeitsbereiche einweisen. Das heißt: Ausgerechnet dann, wenn Kinder in dem Alter sind, sich für Naturwissenschaft und Technik zu begeistern und eine wichtige Grundlage gelegt werden kann für ihre einzige und wahre Zukunft (denn das die Geistes- und Sozialwissenschaften eine brotlose Kunst sind, wissen wir ja alle aus eigener leidvoller Erfahrung zur Genüge), werden sie durch das dumme Frauenpack versaut! Nicht mit Puppen sollen Kinder spielen. NEIN! Chemiebaukästen oder Spielzeugwaffen müssen her. Erst dann werden sie später bestens gerüstet sein, Deutschlands Interessen wo auch immer in der Welt zu verteidigen.

Eine Lösung für die Misere ist schnell gefunden: Im Sinne der Männerförderung muss eine Männerquote eingeführt werden – die Schweden könnten als Vorbild dienen. Allein so ist gewährleistet, dass nicht nur die Männer von morgen gefördert werden – nein, auch die Männer von heute können endlich in Berufsfelder eindringen, die ihnen bisher verschlossen geblieben sind. Denn wir sollten uns nichts vormachen – es gibt nicht nur die gläserne Decke, sondern auch den gläsernen Boden: Wer als Mann herabsteigen will, in eine Berufswelt, die geprägt ist von angeblich frauentypischen Dienstleistungen und damit auch schlechter Bezahlung, dem wird es nicht einfach gemacht. Ganz im Gegenteil! Männer, die beruflich mit Kindern zusammenarbeiten möchten, also genuine Frauenarbeit verrichten, sind in unserer Gesellschaft doch eher in der Kategorie „Weichei“ zu verorten, wenn nicht sogar extremeres unterstellt wird (nicht, dass die sexuelle Orientierung eines Mannes im Entferntestes etwas über seine Qualitäten in der Kinderbetreuung aussagen würde). Nun eröffnet sich aber ein Dilemma: Wollen und können wir Männer durch eine Quote dazu bringen, einen „weiblichen“ Beruf zu ergreifen? Sind nicht diejenigen, die eine Ausbildung in diesem Bereich absolvieren genau die „Kuscheltier-ins-Regal-Steller“, die wir uns nicht als Vorbild für unsere Jungs wünschen? Wollen wir nicht eigentlich einen markigen Mann, der weiß, was er will? Einen, der den kleinen Einsteins von morgen (und vielleicht sogar den Mädchen, aber für die gibt es ja schon den „Girl’s Day“) naturwissenschaftliches Wissen vermitteln kann und ihnen zeigt, wo der Hammer hängt?

Vielleicht funktioniert auch deswegen in Schweden die Quote nicht (oder liegt es etwa doch an der schlechten Bezahlung und der geringen gesellschaftlichen Wertschätzung von Betreuungsleistungen?). Dann bleibt doch am besten alles beim Alten. Die Kindergärtnerin gibt ihr Kind zur Tagespflegeperson (die in der Regel eine Tagesmutter und kein Tagesvater ist!), um dann an ihrem Arbeitsplatz fremder Leuts Kinder zu betreuen und zu fördern. Indem sie die Jungen zum Puppenspiel anregt. Juhu! (sf)

DAS_PROJEKT

Was die von der SZ machen, können wir auch. Warum nicht selbst 'Streiflichter' schreiben? Die BONBONNIÈRE musste also her - der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten. Eine Dose voller Bon[n]bons und Bon[n]mots, jeden Freitag neu, verfasst von überambitionierten Autorinnen und Autoren aus Bonn und der Welt.

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'BONBONNIÈRE_ Der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten' wird herausgegeben von marc holzenbecher, Bonn

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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