Freitag, 13. Februar 2009

BONBONNIÈRE (29)

Wo ist deine Power bloß, grauer Glos, du Trauerkloß? Die Häme der Feuilletons dieser Republik ergoss sich nach dem vergangenen Wochenende über den Wirtschaftsmüllermeister. Keine Glosse ohne Glos, mal abgesehen von den Zeilen, die uns den Zusammenhang von Kommunikation, Exkommunikation und Ex-Exkommunikation verdeutlichen sollten – hierzu sei abschließend festgestellt: (Ex-)Exkommunikation ist auch eine Form der Kommunikation, aber nicht jedes (Ex-)Exkommunikations-Problem ist auch nur ein Kommunikations-Problem.

Welch Verkennung des Talents dieses glosen Mannes, ihn als trotzigen Jungen darzustellen, der quängelt, ihm höre ja ohnehin keiner zu und die Mama Merkel habe den Peer eh viel lieber als ihn. Der in einem Ministerium abhängt, von dem er nichts versteht und das ihn nicht versteht. Der stolz behauptet zu wissen, was ein Vermerk ist, aber den Finanzminister darum beneidet, dass man ihm was aufschreibt. Der Ordnungshütern über die Ordnungshüterfüße fahren lässt, weil er so aus dem Häuschen darüber ist, dass Mama ihn gebeten hat, den kasachischen Präsidenten an ihrer Statt zu empfangen. Oder weil es seine einzige Chance ist, in Zeitungen Erwähnung zu finden?

Aber ist das Verkannt-Werden nicht das Los des wahren Genies, weil die Tragweite seines Handelns dem Normalsterblichen verborgen bleiben muss? Weil seine Synapsen sich ein entscheidendes Mal mehr krümmen und Otto-Normaldenker bei der geistigen Nachverfolgungsjagd japsend hinter der Ecke zurückbleibt? Der Reform-Impetus dieses Glos-Moguls ist jedenfalls nur zu vergleichen mit jenem seines Namensvetters Gorbatschow. Müller Michel hat im Alleingang am Kabinett und der Kokonkanzlerin vorbei nichts weniger als seine eigene Glosnost-Politik verkündet. Eine Abwrackprämie für ausgebrannte Politiker, das war doch die Maßnahme, nach der das Volk sich verzehrte, die in den Konjunkturpaketen 1 und 2 so schmerzlich fehlte.

Und wie glosmeisterlich er das umgesetzt hat! Nicht zufällig ging das Fax für Seehofer zu jenem nach Hause. Dass der Horst nicht bei seiner Frau sein würde, hatte sich der Michel an einer Hand abgezählt…. So wurde der große bayerische Horsdini entzaubert, der sich doch jüngst mit einer Vielzahl von Tricks profiliert hatte, wie der Aufblähung der gerade auf Normalmaß geschrumpften CSU und dem Verwandeln eines netten Umweltgesetzbuches in ein ausgewachsenes bürokratisches Monster, das er anschließend auf offener Bühne verschwinden ließ. Denn als er in seinen Personalhut griff, da war der leer, und als da schließlich doch noch ein wohlgegelter Berufsfranke herauspurzelte, hatte jeder im Publikum den doppelten Boden gesehen. Langweilige Nummer, die hat er doch schon vor ʼnem halben Jahr gebracht. Bei der damaligen Generalsekretär-Beschwörung hatte wenigstens noch die Anzahl der Vornamen beeindruckt. So aber wird die Glosnost-Politik wie auch schon bei Gorbi nur dazu dienen, Akzeptanz für die Peerstroika zu schaffen. Und dann wär Glos: ein Gernegroß. (vb)

DAS_PROJEKT

Was die von der SZ machen, können wir auch. Warum nicht selbst 'Streiflichter' schreiben? Die BONBONNIÈRE musste also her - der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten. Eine Dose voller Bon[n]bons und Bon[n]mots, jeden Freitag neu, verfasst von überambitionierten Autorinnen und Autoren aus Bonn und der Welt.

DIE_AUTOREN

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'BONBONNIÈRE_ Der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten' wird herausgegeben von marc holzenbecher, Bonn

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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