Freitag, 20. Februar 2009

BONBONNIÈRE (30)

Der Sparer hat kein gutes Image. Wer spart, gilt als knauserig und verkrampft. Wer lässt sich schon gerne einen Geizhals schimpfen oder einen Pfennigfuchser? Einfach mal über die Stränge schlagen hingegen und nicht an morgen denken — das hat Stil, das ist dandyhaft und lässig. Gerade in unserer Zeit der allgegenwärtigen Krise beweist der Prasser geistige Unabhängigkeit und reagiert auf das öffentliche Gejammer und Gezeter mit Taten: Verschwendung setzt den nötigen Kontrapunkt zum Angstsparen. So schwierig ist das gar nicht.

Hollywoodstars machen es seit jeher vor, und demonstrieren — jenseits von Champagner-Duschen in St. Tropez — lässigen Umgang mit dem schnöden Mammon. So etwa Tom Hanks, der kürzlich an der Kasse einer exquisiten New Yorker Modeboutique einen Umschlag voller Tausender liegen ließ. Versehentlich, konnte man vernehmen. Das hat Stil, das ist dandyhaft und lässig. Denn es gibt keinen Ärmeren auf der Welt — so Arthur Schnitzler — als den Reichen, der es nicht versteht, zu verschwenden. Doch der wahre Reiz, so möchte man ergänzen, besteht darin, auch noch zu prassen, obwohl man fast nichts hat.

Man nehme sich hierfür unsere Koalitionspolitiker zum Vorbild. Im Angesicht heranrückender Wahlen trotzen sie der Krise mit immer neuen Geldgeschenken an die Wähler: Kindergeld hier, Elterngeld da, Hartz-IV-Sätze rauf, Wehrsold auch, neue Straßen und neue Autos, wer eins kauft bekommt was geschenkt. Die Kassen sind leer — aber bei einem Schuldenberg von 1,5 Billionen Euro kann man sagen: Das hat offenbar noch keinen Politiker am Geldausgeben gehindert. Das ist mal eine Haltung.

Das gemeine Volk tut sich damit bekanntlich schwerer — aber auch hier ist Besserung in Sicht. Dass sich auf diesem Feld in Deutschland viel getan hat, kann man nirgends besser ablesen als an der beherzten und massenhaften Investition mühsam zusammengesparter Kleinvermögen in die Telekom-Aktie. Seitdem hat das Modell der Telekom viele Nachahmer gefunden, und wer sein Geld schnell und sauber loswerden will, dem eröffnet sich heute eine ganze Palette von Alternativen. Die Telekom hat die sorglose Geldvernichtung auch für den kleinen Mann salonfähig gemacht.

Konsequent ist, was sich vor kurzem im Elektrostahlwerk Henningsdorf bei Berlin ereignete. Die Postbank, die natürlich tief in den roten Zahlen steckt, hat dort einen mit 170 000 Euro gefüllten Tresor verschrotten lassen. Versehentlich, konnte man vernehmen. Beim Entladen eines Schrotttransporters flatterten den Arbeitern plötzlich mehrere tausend Geldscheine entgegen. Es ist dieser so sorglose und unverkrampfte Umgang mit dem Geld, der uns auch die schwerste Krise aushalten lässt. So schwierig ist das wirklich nicht. (mh)

DAS_PROJEKT

Was die von der SZ machen, können wir auch. Warum nicht selbst 'Streiflichter' schreiben? Die BONBONNIÈRE musste also her - der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten. Eine Dose voller Bon[n]bons und Bon[n]mots, jeden Freitag neu, verfasst von überambitionierten Autorinnen und Autoren aus Bonn und der Welt.

DIE_AUTOREN

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'BONBONNIÈRE_ Der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten' wird herausgegeben von marc holzenbecher, Bonn

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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