BONBONNIÈRE (31)
Es war einmal ein schniekes Dorf in den Bergen, das von einem kecken kleinen Mädchen auf Trapp gehalten wurde – der Heidi. Heidi hütete die dicken Kühe und Schafe, die älteren im Dorf und sogar die ganz kleinen Scheißerleins. Dieses idyllische Fleckchen Erde wussten vor allem die Talbewohner zu schätzen, die von unten stets neidisch auf die immer wohlig qualmenden Schornsteine der adretten Berghütten blickten. Wenn sie lange genug bettelten bekamen sie über eine Nackenstarre hinaus auch etwas Zuwendung. „Heidi, lass deine Milch und deine Butter herunter!“ riefen sie wehleidig. Und Heidi ließ ihre Milch und ihre Butter herunter. Immer in Maßen, nie zuviel.
Heidi ging im Helfen auf, sie sah es als ihre Bestimmung. Die ganze Anerkennung, die ganze Berühmtheit, das ganze Lob. Und erst die Belohnungen des Opas. Für jede gute Tat ihrerseits durfte ihr Freund Peter eine Nacht in ihrer Hütte pennen. Doch manchmal plagten sie schlaflose Nächte ohne Peter und voller Existenzangst. Was, wenn die Taldörfer plötzlich genug eigene Milch und eigene Butter produzierten? Was, wenn niemand mehr ihre Hilfe benötigte? Bei solchen Gedanken zitterte Klein Heidi am ganzen Körper. Und so kam es, dass immer öfter überschüssige Milch auf den Bergwiesen verschüttet wurde. Nicht nur, weil der Milchtransport ins Tal zu aufwändig gewesen wäre, sondern auch, weil Heidi die Täler nicht an Befriedigung gewöhnen wollte. Welch Tugend die Not doch war.
In einer plötzlich auftauchenden Welle der wirtschaftlichen Ungenügsamkeit erkannte Heidi Gottes Antwort auf ihre Gebete. Diese Welle war in Hintertutzingen gestartet, hatte Oberurgauungingen plattgemacht und breitete sich erbarmungslos im restlichen Tal aus. Ein Stückweit schwappte sie auch die Berge hinauf, aber eben nur ein Stückweit. Was sich Heidi nun präsentierte, erfüllte ihr Herz. Wimmern wo sie nur hinhörte, bettelnde Blicke wo sie nur hinschaute. Kurz entschlossen schickte Heidi Hilfskonvois in die Täler, ganze Scharen von dick bepackten Eseln stürmten zur Rettung. Natürlich durften sich nicht alle Dörfer an Heidis Güte erfreuen; wo bliebe da der Überraschungseffekt?
Oberunterhausen strich Heidi von vornherein von ihrer Liste. Die Gemeinde könne sich unmöglich über die Verteilung der Ressourcen einig werden. In Wunderdorf hingegen hatte sich Heidi einmal verlaufen und dank der lieben Wunderdörfer wieder nach Hause gefunden; Wunderdorf stellte somit eine Toppriorität dar. Anders Ellersheim, hier hatte der Gemeindepastor sie beim letzten Sonntagsspaziergang nicht zurück gegrüßt. Hasta la vista, Ellersheim, lachte Heidi. Während sie hoch oben auf ihrem Berg wild mit ihrem Zeigefinger gestikulierte und aus der Ferne über Leben oder Tod der unzähligen Taldörfer entschied, machte sich in ihr ein warmes, immer heißer werdendes Gefühl breit. Sie strahlte, sie glühte. Und dachte insgeheim: Ach wie gut, dass niemand weiß… (nm)
Heidi ging im Helfen auf, sie sah es als ihre Bestimmung. Die ganze Anerkennung, die ganze Berühmtheit, das ganze Lob. Und erst die Belohnungen des Opas. Für jede gute Tat ihrerseits durfte ihr Freund Peter eine Nacht in ihrer Hütte pennen. Doch manchmal plagten sie schlaflose Nächte ohne Peter und voller Existenzangst. Was, wenn die Taldörfer plötzlich genug eigene Milch und eigene Butter produzierten? Was, wenn niemand mehr ihre Hilfe benötigte? Bei solchen Gedanken zitterte Klein Heidi am ganzen Körper. Und so kam es, dass immer öfter überschüssige Milch auf den Bergwiesen verschüttet wurde. Nicht nur, weil der Milchtransport ins Tal zu aufwändig gewesen wäre, sondern auch, weil Heidi die Täler nicht an Befriedigung gewöhnen wollte. Welch Tugend die Not doch war.
In einer plötzlich auftauchenden Welle der wirtschaftlichen Ungenügsamkeit erkannte Heidi Gottes Antwort auf ihre Gebete. Diese Welle war in Hintertutzingen gestartet, hatte Oberurgauungingen plattgemacht und breitete sich erbarmungslos im restlichen Tal aus. Ein Stückweit schwappte sie auch die Berge hinauf, aber eben nur ein Stückweit. Was sich Heidi nun präsentierte, erfüllte ihr Herz. Wimmern wo sie nur hinhörte, bettelnde Blicke wo sie nur hinschaute. Kurz entschlossen schickte Heidi Hilfskonvois in die Täler, ganze Scharen von dick bepackten Eseln stürmten zur Rettung. Natürlich durften sich nicht alle Dörfer an Heidis Güte erfreuen; wo bliebe da der Überraschungseffekt?
Oberunterhausen strich Heidi von vornherein von ihrer Liste. Die Gemeinde könne sich unmöglich über die Verteilung der Ressourcen einig werden. In Wunderdorf hingegen hatte sich Heidi einmal verlaufen und dank der lieben Wunderdörfer wieder nach Hause gefunden; Wunderdorf stellte somit eine Toppriorität dar. Anders Ellersheim, hier hatte der Gemeindepastor sie beim letzten Sonntagsspaziergang nicht zurück gegrüßt. Hasta la vista, Ellersheim, lachte Heidi. Während sie hoch oben auf ihrem Berg wild mit ihrem Zeigefinger gestikulierte und aus der Ferne über Leben oder Tod der unzähligen Taldörfer entschied, machte sich in ihr ein warmes, immer heißer werdendes Gefühl breit. Sie strahlte, sie glühte. Und dachte insgeheim: Ach wie gut, dass niemand weiß… (nm)
nm - 6. Mär, 10:14