Freitag, 20. März 2009

BONBONNIÈRE (33)

„Die Berliner“, sagt Anneliese Bödecker, „sind unfreundlich und rücksichtslos, ruppig und rechthaberisch. Berlin ist abstoßend, laut, dreckig und grau, Baustellen und verstopfte Straßen wo man geht und steht“ – aber wenigstens, könnte man entgegnen, liegen keine eingestürzten Häuser im Weg. So wie in Köln.
Dort nimmt man ja alles nicht so genau. Bauvorschriften: scheiß drauf, et hätt noch immer jot jejange. Und dann Augen zu und hoffen, dass alles hält. Et kütt wie et kütt. Und manchmal geht’s schief.

Jetzt weiß niemand mehr, wie das eigentlich mal angefangen hat mit Köln, damals zur Römerzeit. Oder halt, war es überhaupt so? Alle Kölner, die noch einigermaßen gut beisammen sind (also alle, die nicht im Stadtrat, nicht im Aufsichtsrat der Stadtsparkasse, nicht in der Bauaufsichtsbehörde und allen anderen Behörden sitzen und die keine Firma haben und mal bei einer öffentlichen Ausschreibung mehr Leute kannten als alle anderen), all die sollten schnellstmöglichst zum Griffel greifen und ihre Erinnerungen aufschreiben. So könnte wenigstens ein bisschen was für die allgemeine Erinnerung getan werden, viel ist es nicht, aber in 2000 Jahren…

Wie jedoch finden die aktuellen Kölner ihre Identität wieder? So schwer ist das nicht: Sie müssen etwas Besonderes finden, ein Symbol für die Stadt, ein Maskottchen, und dann ein Museum drumrum bauen. Das machen die Berliner auch so. Bislang war noch niemand drauf gekommen und hatte gleichzeitig 5 Millionen für die Umsetzung unterm Kopfkissen liegen. Aber jetzt ist es soweit: Das Museum für die Currywurst kommt! Schön passend neben dem weltbekannten Checkpoint Charlie soll es hingesetzt werden, wo eh’ schon genug amerikanische, japanische und dänische Gäste rumlatschen um mal ein paar Euros in eine Schau zu investieren, die das von Berlin zeigt, was es ausmacht: Currywurst in all seinen Facetten, dargestellt in einem beeindruckenden museumspädagogischen Konzept: mit einer begehbaren Imbissbude (hui!) und einer Hörstation in Form einer Ketchupflasche (ola!).

Auf Köln gemünzt bedeutet das: Baut Hennes VII. ein Denkmal! Berlin mag die die Currywurst erfunden haben und darauf ist es jetzt noch stolz. Aber dafür lässt kein Fußballverein außer der 1. FC Köln sämtliche Tierschutzvorschriften außer Acht und scheucht zu jedem Heimspiel einen leibhaftigen Geißbock in ein kochendes Stadion. Sieben Ziegen haben das schon mitmachen müssen, Hennes VII. starb vor einer Woche, an einem Freitag, dem 13. In seine Amtszeit fielen zwei Abstiege, der arme Kerl hatte also einiges mitzumachen, aber er blieb zäh und stand zu seinem FC. Hennes steht damit auch ein bisschen für die Bürger der Stadt, die das versammelte politische Unvermögen in Köln mit Gelassenheit ertragen. Und deshalb sollte Hennes als Symbol für den Kölner Gleichmut und Identitätsstifter für die Stadt ein Museum bekommen. Mit einer begehbaren Futterkrippe und einer Hörstation in Form von Ziegenbockhörnern. (chö)

DAS_PROJEKT

Was die von der SZ machen, können wir auch. Warum nicht selbst 'Streiflichter' schreiben? Die BONBONNIÈRE musste also her - der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten. Eine Dose voller Bon[n]bons und Bon[n]mots, jeden Freitag neu, verfasst von überambitionierten Autorinnen und Autoren aus Bonn und der Welt.

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'BONBONNIÈRE_ Der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten' wird herausgegeben von marc holzenbecher, Bonn

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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