Freitag, 3. April 2009

BONBONNIÈRE (35)

„Die gute Nachricht!“

Wer jetzt wieder eine Exegese des Sonntagsevangeliums erwartet, den muss ich leider enttäuschen oder – wohl in der Mehrzahl – beruhigen. Vielmehr startete die „Rheinische Post“ – ein Zwischenmedium zwischen „Bild“ und „Welt“ – beim Ausbruch der Wirtschaftskrise eine gleichnamige Kampagne, bei der die untere rechte Ecke der täglichen Titelseite eben einer „guten Nachricht“ vorbehalten sein sollte. Was könnte also die „gute Nachricht“ der ausgehenden Woche sein?

Vielleicht, dass eine besondere Privatisierung bei der Bahn vollzogen wurde. Der Zug „Einsicht in Fehlverhalten“ war zwar schon längst abgefahren, der Zug für den Börsengang schon viel länger, aber letztlich trat der oberste deutsche Bahnfahrer, Hartmut Mehdorn, dann doch noch von der Bahnsteigkante zurück.

Vielleicht war die „gute Nachricht“, dass die Queen anscheinend doch nicht „not amused“ war als ihre Nachfolgerin als First Lady einer Weltmacht, Michelle Obama, ihr die Hand umarmend auf den Rücken legte. Vielmehr erwiderte sie die vertrauliche Geste, obwohl sie jedem Hofprotokoll wiedersprach.

Aber auch der Anlass des Treffens der beiden Damen wäre ein Bewerber um die „gute Nachricht“ der Woche. Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer ziehen an einem Strang und einigen sich auf ein Rettungspaket für die Weltwirtschaft im Umfang von „1100 Milliarden Dollar“ – die Billion scheint bei den Regierungschefs zur Unzahl geworden zu sein, weil sie das Ausmaß der Katastrophe nur noch offensichtlicher machen würde. Aber immerhin, Politik kann noch handeln – „gute Nachricht“ – ob das Handeln Früchte trägt – „gute Nachricht“ von morgen?

Einer der lange gehandelt hat und dann lange nicht, ist eine weitere „gute Nachricht“ wert: Helmut Kohl. Nein, dass er heute seinen 79ten Geburtstag feiern kann, was nach seinem Sturz im vergangenen Jahr nicht als sicher gelten konnte, bringt ihn nicht auf diese Liste. Die „gute Nachricht“ besteht eher darin, dass Helmut Kohl den „Osgar“ bekommen hat. Wer nun glaubt, es handele sich um einen Tippfehler, bedarf wohl einer kurzen Belehrung: Der „Osgar“ ist der Preis der „Bild“-Zeitung für Menschen, die sich um „Frieden, Freiheit und das Zusammenwachsen Deutschlands“ verdient gemacht hat. Aber da Kohl diesen Preis bereits vor vier Jahren mit Michail Gorbatschow bekommen hat, reicht das nicht zu einer guten Nachricht – heuer bekommt er ihn nur noch mal, da damals Bush sen. leer ausging und man einem Bush, auch wenn er sen. ist, wohl alleine keinen Preis zukommen lassen kann. Erst wenn man die Form des Preises sieht, erkennt man die „gute Nachricht“, besonders für das gebeutelte Gesundheitssystem: die Trophäe sieht aus wie ein künstliches Hüftgelenk. Ein weiterer Sturz von der Treppe würde die Kassen also nicht belasten.

Aber mit dem leidigen Thema „Krankenkassen“ soll diese „gute Nachricht“-Bonbonnière natürlich nicht enden. Vielmehr soll der am Ende mit der „guten Nachricht“ der Woche ausgezeichnet werden, der auch in unruhigen Zeiten – wenn auch mit ein bisschen Verspätung –, den Menschen die Sorgen vergessen lässt und ihre Herzen öffnet: Frühling, ja DU bist’s! Dich hab ich erkoren! (sm)

DAS_PROJEKT

Was die von der SZ machen, können wir auch. Warum nicht selbst 'Streiflichter' schreiben? Die BONBONNIÈRE musste also her - der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten. Eine Dose voller Bon[n]bons und Bon[n]mots, jeden Freitag neu, verfasst von überambitionierten Autorinnen und Autoren aus Bonn und der Welt.

DIE_AUTOREN

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'BONBONNIÈRE_ Der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten' wird herausgegeben von marc holzenbecher, Bonn

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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