Freitag, 18. Juli 2008

BONBONNIÈRE (24)

Hässlichkeit, sagte einst ein großer Philosoph, bietet einen Stützpunkt in einer Welt, in der alles schwankt. Verzeihung, es handelt sich hier um Häuslichkeit – zu Hässlichkeit äußerte allem augenblicklichen Anschein nach kein großer Philosoph etwas Kluges. Es liegt ja auch in der Natur des Menschen, ungreifbar unangenehme Undinge unbeachtet zu lassen. Aber nicht immer...

Seit einiger Zeit genießt ein so genannter Abriss-Kalender seine weltliche Existenz. Täglich darf ein baulicher Schandfleck auf deutschem Boden buchstäblich einfach so abgerissen werden. Und gegen Ende eines Jahres steht deutschlandweit schließlich kaum noch eine Kaufhof-Filiale.

Nun muss der Kalender wohl ein Blatt frei machen für eine weitere, alles Vorausgegangene in den Schatten der Schönheit stellende Bauschande. Deren zusätzliche Schmach begründet sich in der tragischen Ortswahl seiner Errichtung: dem geschichtsträchtigsten Platz unserer Hauptstadt. Die geschwollene Rede ist selbstredend von der neuen amerikanischen Botschaft am Pariser Platz in Berlin.

Diese klobige Festung in Billig-Optik erinnert an zukünftige Zeiten, in denen der Zweck allein den Zweckbau heiligt und Ästhetik ein luxuriöses Relikt vergangener Epochen darstellt. Möglicherweise handelt es sich hierbei aber auch um Baukunst, um wegweisende Architektur. Sind die asymmetrisch geformten Fenster vielleicht doch moderne haute architecture? Nein, sie sind kugelsicher. Und ist das geschwungene Vordach nicht vielleicht doch Vorbote einer wiederkehrenden ’80er-Welle? Nein, es ist schlichtweg piefig. Und wenn alle Maulwürfe grün wären und alle Ameisen fliegen könnten…Wäre der logische Folgeschluss dann nicht, dass Kühe Schafe sind? Nein. Und deshalb ist und bleibt die amerikanische Botschaft so wie sie ist – hässlich.

Nächsten Donnerstag stattet Barack Obama der Metropole einen Besuch ab. Und er hat bereits eine fabelhafte Berliner Rede vorbereiten lassen. Für das Brandenburger Tor ist sie dennoch nicht fabelhaft genug. Diese Ehre bleibe gewählten Präsidenten vorbehalten, so heißt es in Regierungskreisen. Es sei mir an dieser Stelle ein unverbindlicher Vorschlag empörender Einfachheit gestattet: Eine Linksdrehung des Rednerpults um 90 Grad würde der gesamten Veranstaltung im Nu genügend Ehrwürdigkeit nehmen und ihr den von der Kanzlerin gewünschten provinziellen Charakter verleihen.

So dürfte sich Obama der Welt präsentieren. Vor einem Gebäude, das mit vermehrter Fensterlosigkeit den Begriff der Aussichtslosigkeit neu definiert. Vor einem Gebäude, das dreizehn Jahre bis zu seiner Vollendung brauchte – und vielleicht bald mit nur einem Handgriff wieder abgerissen werden kann. (nm)

Freitag, 11. Juli 2008

BONBONNIÈRE (23)

Mit der Zeit ist das ja so eine Sache. Meistens hat man zuwenig davon, oft gar keine Zeit und dann wieder ist man zur falschen Zeit am falschen Ort. Ganz selten aber hat man viel bis zuviel Zeit. In so einer Situation befinde ich mich zurzeit.

Vor knapp zwei Wochen wiedergekehrt in heimatliche Gefilde und direkt hineingefallen – ins Erasmusloch. Dieses zeichnet sich mehrfach aus: erstmal wieder an Deutschland und seine Menschen gewöhnen, noch keine eigene Wohnung haben und deshalb viel Zeit bei Mama und Papa verbringen, ohne sinnvolle Aufgabe sein. Und darum: Sehr, sehr viel Zeit zum Nichtstun, Faulenzen und Chillen.
Man tut dann Dinge, die man sonst nie tun würde (den Wirtschaftsteil in der Süddeutschen im Detail lesen), Dinge, für die man sonst leider nie Zeit hat (der E-Jugend von Blau-Weiß Schwege beim Fußballspielen zuschauen und beobachten, wie sich der kleine Bruder auf den Spuren von Merte & Metze so entwickelt) und Dinge, für die man normalerweise zum Glück keine Zeit hat (Telenovelas mit so kurios-kitschigen Titeln wie „Wege zum Glück“ und „Sturm der Liebe“ schauen).

Dann fährt man irgendwann vom Land in die Stadt und muss sich nichts ahnend der Welt gehetzter Großstädter aussetzen. Beim entspannten Bummel durch die Fußgängerzone wird man angeraunzt: „Nicht im Weg rumsteh’n!“ Da hatte wohl jemand weniger Zeit als ich.
Tut man dann etwas Sinnvolles und bringt seine Erasmusunterlagen PERSÖNLICH (wieso den Postweg bemühen, wo man doch – genau – Zeit hat) bei der freundlichen Sachbearbeiterin vorbei, ist das auch nicht richtig: „Was steht denn da wohl an der Tür?!“ Ach ja, die Sprechzeiten! Wie konnte ich das vergessen, die sind hierzulande ja – ebenso wie die Zeit – begrenzt. Ein klassischer Fall von ‚zur falschen Zeit am falschen Ort sein’. Ein Glück, dass ich noch schnell meinen Wisch auf dem Schreibtisch ablegen darf.

Ganz anders da die Handwerker in der Wohnung meiner derzeitigen Gastgeber: Die haben nämlich alle Zeit der Welt. So eine Badezimmerrenovierung, die kann schon mal dauern. Der zweite Streichgang findet morgen statt. Jetzt ist erstmal Mittag, respektive Feierabend, angesagt. Und die Tür, die soll irgendwann wieder eingehängt werden. Doch schließlich erkennt Handwerker Willi den Ernst der Lage und bringt es vor seinen Kollegen auf den Punkt: „Die haben Besuch und keine Lust auf Open-Air-Kacken!“ Warum lang drumrum reden?!

Als Gott die Welt erschuf, so ist überliefert, gab er den Afrikanern die Zeit und den Europäern die Uhr. So ist das also! Ich glaube, ich bin dann mal weg. (chö)

Freitag, 4. Juli 2008

BONBONNIÈRE (22)

Deutscher Urin ist toxisch; um genau zu sein sehr viel giftiger als der französische. Nur 30 cm³ des deutschen Urins reichen aus, um ein Meerschwein zu töten. Der Franzose muss hingegen 45 cm³ seines Körpersaftes lassen, um eines dieser armen Tierchen in die ewigen Jagdgründe zu schicken.Dr. Edgar Bérillon, einst angesehener Arzt und Professor an der medizinischen Fakultät in Paris, führt unter anderem dieses an, um die Unterschiede unserer beiden Völkchen pseudo-wissenschaftlich zu begründen und schließlich zu dem Schluss zu kommen, dass wir uns physiologisch gar ferner sind als Farbige und Weiße. Gut, das war 1918, und zum Glück ist diese beschämende Epoche, in welcher man die „Rassen“ des Menschen auf weithergeholte körperlichen Differenzen festlegen wollte, endlich vorüber.

Sehr erheiternd ist es hingegen, dass Stereotype und Klischees auch heute noch fester Bestandteil unseres Denkens und (Mit-)Fühlens sind. Zumal wenn sie auch immer wieder aufs Neue bestätigt werden. So hat man selbst als Kenner Frankreichs Grund zur Annahme, dass der männliche Ureinwohner sich weder über Toxik noch Geruchsintensität seines Urins Gedanken macht; er entleert sich wo auch immer es gerade nötig ist, und sei es am Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Zum Duft der Grande Nation gibt es so einige Theorien; sie würde z.B. ihren Geruch ja nur unter Parfum und 365 stinkenden Käsesorten zu verbergen suchen. Und tatsächlich: Der Franzose benutzt nur halb so viel Seife wie unsereins und gerade mal 47% duschen oder waschen sich täglich. Doch ob es stimmt, was Harald Schmidt zu diesem Thema beizutragen hat: „Franzosen tragen ihre Unterwäsche drei Tage lang! Aber unsere Nachbarn stinken nicht - das heißt Bouquet.“

Aber warum sollte der Franzose denn auch seine Dessous wechseln, wenn er sie eh recht selten trägt. Dabei wären wir beim Thema und zugleich Mythos Sex. Der maskuline Part dieses Landes versucht vehement den Titel „Beste Liebhaber“ zu verteidigen. Immerhin praktizieren laut einer Studie 54% der Franzosen mehrmals die Woche „l’amour“ und 52% dieser befragten behaupten sogar, dass sie jedes Mal einen Höhepunkt erleben würden. Klingt gut - vielleicht schneiden wir Deutschen bei dieser Art der Umfrage aber auch immer so schlecht ab, weil wir einfach ehrlicher sind. Kein Wunder also und dennoch mehr als überraschend, dass Ehrlichkeit und Toleranz bei 91% der Franzosen erst nach dem Wert der Umwelt kommt.

Um beim französischen Mann zu bleiben. Dieser hat es schon nicht leicht, wenn La belle France als barbusige „Marianne“ auf den Barrikaden dargestellt wird. Da betont er gerne seine Männlichkeit und dass seine nordischen Nachbarn doch zum Beispiel keinen Bartwuchs hätten. Rasierklingen heißen nicht umsonst Gillette. Doch Frankreich exportiert Haute Couture, Kosmetik, gutes Essen – alles Dinge, die man traditionell mit den Freuden einer Dame verbindet. Und diese Freuden weiß Mann ausgiebig zu schätzen. Die körperliche Liebe kommt für die Franzosen direkt hinter Froschschenkeln, Rotwein und Crème Brulée. Doch Beziehung heißt für sie, über „Schenkel“ zu philosophieren.

Und wenn der Franzose über die Deutschen philosophiert? Wir Ureinwohner sind demnach blond, kühl, abweisend und karg mit Komplimenten. Männer sind fast bartlos, die Frauen müssten sich aber umso eher Achseln und Beine rasieren – tun es aber nicht. Außerdem haben Deutsche keinen Humor und lachen wenn nur über schlechte Witze. Und ja, unser seltsames Völkchen ernährt sich am liebsten von Würstchen mit Sauerkraut sowie Bier. Dieses Gebräu wurde bereits von Dr. Bérillon als Grund dafür ausgemacht, dass der Deutsche angeblich 300 cm³ pro Tag mehr pinkelt als der Franzose. Na dann Prost! (fgo)

Freitag, 27. Juni 2008

BONBONNIÈRE (21)

Kann es für diese Glosse ein anderes Thema geben als den Finaleinzug der deutschen Nationalelf? Schön gespielt hat sie nicht, aber mal wieder das Bonmot des englischen Kickers Gary Lineker bestätigt: Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Spieler hinter einem Ball herjagen, und am Ende gewinnt immer Deutschland. Dabei sah es bei dieser EM so aus, als gewinne am Ende immer die Türkei. Wenn sie gewann, gewann sie jedenfalls am Ende – gegen die Schweiz, gegen Tschechien, gegen Kroatien. Und die deutsche Mannschaft hat ihre Klasse schon dadurch bewiesen, dass ihr gelungen ist, was weder Schweizern noch Tschechen noch Kroaten gelingen wollte: last-minutiger zu treffen als die Last-Minute-Türken.

Aber vielleicht gibt es für diese Glosse ja auch ein anderes Thema als den Finaleinzug der deutschen Nationalelf. Denkwürdiger als das Spiel an sich war ja ohnehin das ausgefallene Bildsignal. Der erste Ausfall dauerte 6 Minuten und 10 Sekunden. Genug Zeit für GEZ-Sünder zu reflektieren, ob sie nun gerade die Quittung für ihre Gebührenunwilligkeit bekamen, ob die Störung darauf zurückzuführen war, dass das von ihnen um seine Beiträge geprellte ZDF nur qualitativ minderwertige Leitungen verwenden konnte. Anscheinend war ja schon kein Geld für richtige deutsche Fahnen vorhanden. Von wegen „Mit dem Zweiten sieht man besser“ – bei der zweiten Störung wurde fix auf das Signal des Schweizer Fernsehens umgeschaltet. Allerdings lag der Fehler nicht beim ZDF: Außer dem Schweizer Fernsehen und Al-Dschasira (Verschwörungstheoretiker aufgepasst!) sind alle Fernsehstationen verpflichtet, das offizielle Fernsehsignal der Uefa aus Wien zu verwenden. Bei so viel zentralistischer Gängelung kann es den Iren niemand verdenken, dass sie gegen die Vertrag von Lissabon gestimmt haben.

Das wäre doch mal ein Thema gewesen für diese Glosse statt immer nur Fußball. Oder die Pläne der SPD, die Altersteilzeit zu verlängern. Deren staatliche Unterstützung sollte Ende 2009 gestrichen werden. Nein, nicht die der SPD, die der Altersteilzeit. Jetzt will die SPD die staatliche Förderung bis 2015 beibehalten, um die Rente mit 67 abzumildern.

Die SPD steht ja derzeit in dem Ruf, sich nicht mit den Sorgen der Menschen, sondern immer nur mit sich selbst zu beschäftigen. Insofern lassen die Pläne zur Verlängerung der Altersteilzeit aufhören. Hat Kurt Beck nicht gerade gesagt, er klebe nicht an seinem Stuhl?
Österreichs sozialdemokratische Partei hat die Altersteilzeit bereits in eigener Sache angewendet und ihren Vorsitzenden Gusenbauer in selbige geschickt. Dem Namen nach bleibt er zwar Parteivorsitzender. Er kriegt aber einen „Geschäftsführenden Parteivorsitzenden“ zur Seite gestellt. Im Oktober macht er dem (drei Monate!) Jüngeren dann endgültig Platz und zieht sich auf sein Kanzlerteil zurück. Mit 48 gehört man bei unseren Nachbarn offenbar schon zum alten Eisen. Aber was muss ein Mann schon leisten im Leben? Einen Baum pflanzen, seinen Keller ausbauen und ein Kind mit seinem Kind zeugen.

Das wäre doch mal ein Thema gewesen für diese Glosse. Oder für das heute-journal und die Tagesthemen. Vor allem die Tagesthemen verlieren ja seit einiger Zeit an Zuspruch und -schauern, gerade beim Publikum diesseits der Altersteilzeit. Und jetzt kriegen sie in jeder Halbzeitpause der EM ein Millionenpublikum, darunter auch viele junge Zuschauer, auf dem Silbertablett serviert – und alles, was ihnen einfällt, ist, sich anzubiedern und… Fußball zu zeigen: Ausschnitte des Spiels vom Vortag, Bericht aus dem deutschen Mannschaftsquartier, Live-Schaltung zur Fanmeile, Wetter. Glauben die tatsächlich, dass auch nur einer ihrer t-EM-porären Zwangszuschauer wieder zuschalten wird, wenn es am Vortag keine Spiele mehr geben wird, wenn das deutsche Mannschaftsquartier geräumt und alle Fanmeilen eingerollt sind? Wegen des Wetters?

Schade, dass es kein Thema gibt für diese Glosse außer Fußball…
Finale, oho. Finale, ohohoho. (vb)

Freitag, 20. Juni 2008

BONBONNIÈRE (20)

Auch dieses mal wird der geneigte Leser nicht um das Thema Europameisterschaft herumkommen (und damit es schon an dieser Stelle keinen Ärger gibt sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass ich natürlich die UEFA EURO 2008 [TM] (C) (R) (ETC) (PP) meine).

Letzte Woche kam ich in den Genuss eines grandiosen Spiels, Rumänien gegen Italien. Im Züricher Letzigrund Stadion, welches klein, mit Leichathletikanlage und ohne wirkliche Stimmung ist. Und das, obwohl ich das Vergnügen hatte, in der italienischen Fankurve zu sitzen! Das Problem war nämlich, dass durch die grausame Akustik auf den Rängen jegliche Art des Fangebrülls schon nach fünf Metern irgendwo in der Züricher Bergluft verloren ging. Ich bin mir sicher, dass sich die Spieler auf dem Platz wie bei einem Trainingsspielchen vorgekommen sein müssen. Immerhin hatten die Trainer dort wahrscheinlich nicht mit dem Jogi-Problem zu kämpfen, sich erst durch intensives Schreien und Verlassen der Coachingzone verständlich machen zu können.

Interessant war auch zu beobachten, was für Heerscharen an Fotografen zugegen waren. Und wo diese sich mehrheitlich nach dem Shooting der Mannschaftsfotos platzierten. Während sich hinter Bogdan Lobont, dem Torhüter der Rumänen, eine Wand von Linsen aufbaute, befand sich der Balljunge hinter Gianluigi Buffon allein auf weiter Flur. Wie die allgemeine Erwartungshaltung war ließ sich also unschwer erraten.

Das Gesangsrepertoire der Fanblöcke – so man denn doch mal etwas hörte – war äußerst unterschiedlich. Die Rumänen verfügen scheinbar nur über ein bis zwei Lieder, die sie aber alle zehn Minuten anstimmten. Frei nach Heribert Faßbender: Und nun singen die Fans „Rooomââânia, Rooomââânia“, was so viel heißt wie „Rumänien, Rumänien“.
Die Italiener hingegen waren schon einfallsreicher. Leider waren ihre Texte jedoch etwas komplexer und da ich zusätzlich dem Italienischen nicht mächtig bin, kann ich leider nicht wiedergeben, welch wundervolle Anfeuerungsrufe dort feilgeboten wurden. Sicher ist nur: Sie beherrschen ihre Nationalhymne mit einer solchen Inbrunst, dass man sich des Mitsingens nur schwer entziehen kann. Ja, ich gestehe: Ich habe es getan. Ich habe die italienische Nationalhymne mitgesungen. Dank des auf der Videoanzeige eingeblendeten Textes und der Tatsache, dass man einfach alles so ausspricht, wie’s geschrieben steht, konnte ich einfach nicht anders.

Und außerdem, wenn man mal ehrlich ist: Die italienische Hymne ist wenigstens eine richtige Hymne. Da wird ähnlich wie bei den Franzosen („Vorwärts, marschieren wir! Damit unreines Blut unserer Äcker Furchen tränke!“) mit martialischem Vokabular („Wir sind bereit zum Tod, Italien hat gerufen!“) gearbeitet, wohingegen man bei der Hymne Österreichs („Land der Berge, Land am Strome, Land der Äcker, Land der Dome“) höchstens gegen die einsetzende Müdigkeit zu kämpfen hat.

Achja, das Spiel endete übrigens 1:1. Besondere Vorkommnisse: Buffon hält einen von Mutu geschossenen Elfmeter. Da werden sich einige Fotografen geärgert haben.(jt)

Freitag, 13. Juni 2008

BONBONNIÈRE (19)

Weine nicht, wenn der Regen fällt! Ach wie schön ist doch der deutsche Schlager! Er hat für jede Situation einen passenden Titel. Aber an diesem Lied lässt sich auch ablesen, in wieweit die Integration der türkischen Mitbürger in unserem Land gelungen ist. Bestimmt konnte man in allen Döner-Buden Bonns, NRWs und Deutschlands dieses schöne Lied in der Halbzeitpause des EM Spieles Schweiz gegen die Türkei hören, das uns kein geringerer als Drafi Deutscher - Gott hab ihn seelig - geschenkt hat.

Apropos, Gott! Dieser Gedanke kam mir bei der Einblendung des Halbzeitstandes. Da erschienen auf dem - durch das Regen-Treten der beiden Mannschaften arg ramponierten - Grün die beiden Nationalfahnen. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Beide Fahnen sind Ausdruck einer religiösen Überzeugung. Aber anders als unser amerikanischer Freund - ..., wie heißt der nochmal gleich..., der war doch heute bei der Angie..., Lahm?...Duck?...ach, natürlich... Bush - also, anders als Bush werde ich jetzt nicht von einem Kampf der Kulturen, vom Kampf des Christentums gegen den Islam, vom Kampf Gut gegen Böse reden. Und schon gar nicht werde ich, wie er es tat, eine Lanze für den Beitritt der Türkei zur EU brechen.
Vielmehr will ich die Gemeinsamkeiten hervorheben: Beide Fahnen sind rot, beide haben ein weißes Symbol und beide Länder sind nicht in der EU. Aber das nur am Rande.

Nun gab es vor gar nicht allzulanger Zeit eine Diskussion beim Roten Kreuz (übrigens die komplementäre Fahne der Schweiz), dass das christliche Symbol des Kreuzes in einer interreligiösen Organisation diskriminierend auf Andersgläubige wirken könne. Zwar hat man schon den Roten Halbmond, den Roten Davidstern und den Roten Löwen als gleichberechtigte Symbole eingeführt, aber das reichte den laizistischen Kräften wohl nicht. Sie erfanden den Roten Kristall, der zwar mehr einem auf der Spitze stehenden Quadrat ähnelt, aber nun gut.

Wenn nun also jemand, wie die bayerischen Grünen mit ihrem Kruzifixverbot, auf die Idee kommt, religiöse Symbole aus Nationalfahnen zu verdrängen, kann man sich ja Alternativ bei einer künftigen Begegnung der Schweiz mit der Türkei auf eine Fahne einigen, die ein auf der Spitze stehendes Quadrat zeigt.

Als ich diese Überlegungen zu einem vorübergehenden Abschluss geführt hatte, stand es inzwischen leider 1:1, aber noch war die Schweiz nicht verloren, womit wir wieder am Anfang meiner Ausführungen wären. Denn weiter heißt es in dem schönen Schlager: "Es gibt einen der zu der hält!" Aber wer nun? Der mit dem Kreuz, oder der mit dem Halbmond? Oh mein Gott!

Auch wenn die Schweiz verloren hat, bleibt bei mir und ihr die Hoffnung, die dem römischen Kaiser Konstantin bei seiner Kreuzes-Erscheinung zugesprochen wurde: "In diesem Zeichen wirst du siegen!" (sm)

Freitag, 6. Juni 2008

BONBONNIÈRE (18)

Deutschland war und ist wohl das Land der Spitzel. Damals, in der DDR, war das Volkssport. Im Zuge der großen Nostalgiewelle gelangt diese Sportart auch in der Bundesrepublik zu neuen Ehren in den Sportclubs der Oberschicht. Zum Beispiel bei den Chefs von der Telekom. Lidl haben wir ja mittlerweile verdaut - und weil Zumwinkel, mein Freund, auch mal bei der Telekom war, gab es bei der Post auch eine große Lobby für den Spitzelsport. Doch die Gefahr reicht weiter, sie zieht ihre Kreise, durchdringt nach und nach alle Schichten der Gesellschaft. Und besonders einer Gefahr ist sich Deutschland nicht gewahr: Frau Schimka mit ihrem Spürhund „Socke“.

Nur Insider des Spitzelsports kennen diese Ikone der Zunft. Sie gehört zwar zu den altgedienten Vertreterinnen; bereits 1953 begann sie mit der Ausübung. Seit dem ist sie mehr als eine inoffizielle Mitarbeiterin, sie ist der Spitzelsport. 55 Jahre war sie bisher der SoKo „Vierter Stock“ treu und seit einigen Jahren begleitet sie „Socke“ bei der Arbeit.
Ihre Technik reicht vom unschuldigen Laubharken über Wasserleitungsobservation im Waschkeller bis hin zu Fallen legen im Hinterhof. Oft sieht sie sich in ihrer Theorie bestätigt – es geht etwas vor in diesem Haus, und sie ist dem Feind auf der Spur. Beispiel: Die als Lockmittel ausgelegten Fußmatten. Vom Baustaub verdreckt, sollten sie in Sonne und Regen sauber werden. Doch dann waren sie verschwunden – wer tut so etwas?

Die volle Größe ihres Könnens entfaltet Frau Schimka jedoch nicht nur durch Perfektionierung ihrer Technik. Die eigentliche Stärke rührt von ihrer moralischen Kompetenz her, und von der galanten Art, mit der sie die Propaganda zu verbreiten versteht. Subtil positioniert sie sich unter den Fenstern junger, formbarer Hausbewohner. Dort versprüht sie den Charme der für Spitzelsportfunktionäre üblich ist und teilt ihre moralphilosophischen Elaborationen mit einer breiten Öffentlichkeit. Ob es Blumen in ihrem Vorgarten um den Baum vorm Haus herum sind, die von feindlichen Fahrradgeschwadern in die Knie gezwungen wurden. Oder Fußmatten, die vom Feind heimtückisch gestohlen wurden. Jeder Akt wird gerächt. Auge um Auge. Zahn um Zahn.

Es ist Krieg in der Adolfstraße. (dle)

Freitag, 30. Mai 2008

BONBONNIÈRE (17)

Nein, keine Sorge. Heute wird nicht über die anstehende Fußball-EM oder die Bundespräsidenten-Posse geschrieben. Die Erste wird in den kommenden Wochen wohl noch zu genüge behandelt. Letzterer bleibt zu wünschen, dass man am 23. Mai des kommenden Jahres mit Lohengrin sagen kann: „Nun sei bedankt, mein lieber Schwan! […] Drum sei getreu dein Dienst getan! Leb wohl, leb wohl, mein lieber Schwan!“

Des Autoren Dienst ist indes noch nicht getan. Nach 16 Ausgaben der Bonbonnière hält er es für gegeben, einmal die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf ihre Namensgeberin zu lenken: Bonn. Viele haben sich daran versucht, die „Pracht am Rhein“ zu würdigen. Viele sind vor allem in der neueren Geschichte daran gescheitert, weil sie ihre Seele nicht erschließen konnten. Der Romanautor John le Carre verglich sie sogar einmal mit dem Zentralfriedhof von Chicago: „Halb so groß, aber doppelt so tot.“ Damit wird man der deutschen UN-, Bundes- und Beethovenstadt aber nicht gerecht. Zugegeben, in Bonn sitzt immer noch die größere Zahl der Bundesbeamten und die erscheinen einem mehr tot als lebendig. Aber daneben ist Bonn die einzige deutsche Großstadt, die natürlich wächst, d.h. die Geburtenrate liegt über der Sterberate. Den Wechsel von der Bundeshauptstadt zum Wirtschaftszentrum hat sie gut gemeistert: Deutsche Post und Telekom sorgen durch Steuer- und Spitzelaffären dafür, dass Bonn im bundesdeutschen Gedächtnis bleibt. In einer Marktforschungsstudie wurde Bonn als „das aufregendste Oberzentrum des Rheinlandes eingestuft“ (vor Mönchengladbach, Krefeld, Duisburg und anderen Städten vergleichbarer Größenordnung). Endlich gibt es auch noch die Studenten, deren Zahl angesichts der schwindenden Biodiversität ihres Lehrangebots zwar schrumpft, aber die dafür umso lebendiger sind.

Zu dieser Spezies gehört seit fünf Jahren auch ein „kleiner“ Jung vom Niederrhein, der auszog das Leben und die Politikwissenschaft in eben jener Stadt zu lernen. Er hat sich sofort in diese Stadt verliebt, ist sie doch die perfekte Symbiose der Vorzüge des Landlebens mit den Annehmlichkeiten einer Großstadt: Wohnung mit Bauerngarten und Blick ins Grüne, Hofgarten, Rhein, Siebengebirge, Architektur, Einkaufsstadt, reichhaltiges Kulturangebot. Auch die Menschen und vor allem die Freunde, die er hier fand, machten die Stadt für ihn um so l(i)ebenswerter.

Aber nun neigt sich das Studentenleben dem Ende entgegen. Aus dem „Jung vom Niederrhein“ wird ein Magister. Und dann? Am liebsten blieb er in Bonn, der katholisch-konservativen Stadt mit dem Drang zur Veränderung. Ja, Veränderung: Die steht nun auch dem „Jung vom Niederrhein“ wohl bevor. Aber vielleicht lässt sie sich ja noch hinausschieben.

Eine Erkenntnis nimmt der „Jung vom Niederrhein“ aus Bonn auf jeden Fall mit: John le Carre hatte weder mit dem Zentralfriedhof, noch mit seiner Behauptung, dass es entweder regnet oder die Schranken zu sind, Recht. Manchmal, aber nur manchmal, steht man nämlich im Regen an einer geschlossenen Schranke.

Aber gerade deshalb gilt: „Vivat nostra Civitas! Vivat nostra Bonna!“ (sm)

Freitag, 23. Mai 2008

BONBONNIÈRE (16)

Netzer, Vogts und Heynckes Jupp, holen den Europa Cup, so lautete einst das Loblied auf die Fohlenelf – und sie holten ihn, zweimal: Die Generation meiner Eltern erlebte eine einmalige Erfolgsgeschichte mit der Borussia aus Mönchengladbach.

Meine erste Erfahrung mit der Borussia dagegen war eine andere. Ich war neun, als ich vor dem Fernseher mit ansehen musste, wie Kalle Pflipsen und Holger Fach nicht das Tor, sondern den Torwart des Zweitligisten Hannover 96 trafen. Das war 1992, Elfmeterschießen im Pokalfinale. Die Spieler schleppten sich in ihren traditionsfarbenen Trikots über den Platz als seien es Gewichtswesten, am Ende verlor man 3:4. Thomas Kastenmaier, dessen Spielweise so grobschlächtig war wie sein Name es vermuten lässt, bezeichnete die Niederlage, der 120 tor- und trostlose Minuten vorhergingen, als „Katastrophe von Anfang an“. Er wusste nicht, dass er mit diesen Worten auch exakt umriss, was die Borussia einem jungen Fan zu bieten hatte. Am Anfang war die Katastrophe, und es sollte so weitergehen. Was folgte waren jahrelanger Abstiegskampf und Zweite Liga.

Wer heute ins Stadion geht, traut seinen Augen kaum: Borussia hat souverän den direkten Wiederaufstieg geschafft, seit dem 7. Oktober und damit seit 25 Spieltagen steht der VfL an der Spitze der Tabelle – ein Bild, an das man sich erst gewöhnen musste. Manch einer dreht instinktiv die Tabelle um 180 Grad und sorgt so für gewohnte Verhältnisse: Borussia ganz unten – so kennen wir es! Und so wie es einem in der Fremde stets unbehaglich ist, fühle ich mich mit dem plötzlichen Erfolg der Borussia denkbar unwohl.

Was konnte man doch über Gladbach lamentieren! Wie herrlich schimpfen über Millioneneinkäufe, die nicht trafen, Trainerentlassungen und Niederlagenserien. Mit einer rekordverdächtigen Auswärtsschwäche – 3 Siege in 51 Spielen auf fremdem Platz (!) – konnte man gar bei gegnerischen Fans angeben. Da das Scheitern oft ebenso grandios war wie einst die Siege, schimpfte man nicht ohne Stolz auf Gladbach. Wenn man schon keine Bewunderung hervorrief – das Mitleid der Fußballwelt war einem gewiss. Endlich war man wieder der berühmte Gegenentwurf zum großen FC Bayern: Wo die Münchener siegten, verloren wir, für jedes Tor das Bayern schoss bekamen wir eins rein, wenn sie ganz oben standen waren wir ganz unten. Und das geteilte Leid verband die Menschen der Stadt: Mönchengladbach, die Provinz im Niedergang, identifizierte sich mit einem Verein, der scheiterte, wie so viele Menschen in unserer Zeit. Einmal wünschte ich mir, Tocotronic möge vor dem Anpfiff im Stadion spielen: Mein Ruin ist mein Triumph. Doch dann startete die Borussia eine bemerkenswerte Erfolgsserie.

Bleibt nun alles anders? Muss ich mich nach 15 Jahren jetzt wirklich an Auswärtssiege gewöhnen? Ich denke nicht. Echte Fans verkünden bereits, nach der EM beginne der Abstiegskampf. Die Katastrophe wird weitergehen, denn dafür ist man Gladbach-Fan. (mh)

Freitag, 16. Mai 2008

BONBONNIÈRE (15)

Die Unternehmenswelt ist verkommen. Eine – bedenkt man den Diskurs der vergangenen Wochen und Monate – leider nicht unbedingt brandneue Feststellung. Korruptions- und Lustreisenvorwürfe bei Siemens, Steuern umgehende Manager in mehr Unternehmen als es der Durchschnittsbürger wahrscheinlich denkt, Abhörattentate und vieles mehr. Man fragt sich, warum „die da oben“ sich immer mehr in die sowieso schon prall gefüllten Taschen schieben, und „uns da unten“ die Jobs kündigen. Doch Obacht! Es liegt gar nicht an der Gier derer da oben – sie können einfach nicht anders.

Nun fragt sich der kritische Leser zu Recht, wie sich ein Zwang zu illegaler Bereicherung konkret ausgestaltet. Die Antwort hat Prof. Dr. Schmitz aus Gelsenkirchen (anscheinend kann der Pott doch noch etwas mehr als Kohle und Fußball). Seiner These nach fehlt die richtige Strukturierung der Mitarbeitertypen im Unternehmen. Dem Zeitgeist entsprechend ist Herr Prof. Schmitz im Tierreich fündig geworden und hat während seinen Ausflügen in den Gelsenkirchener Zoo die Verhaltensweisen vierer Tiere isoliert, denen die vier grundlegenden menschlichen Arbeitsauffassungen entsprechen. So kommt er zu dem ausgewogenen Mix von Hai, Eule, Pferd und Giraffe. Der Einwand, dass sich die Tiere in der Natur untereinander wohl nicht wunderprächtig verstehen würden, wird hier nicht gelten gelassen. Doch nun zur Unternehmensstruktur und dem was Herr von Pierer (angeblich ja nicht) falsch gemacht hat: So sollte auf sieben Pferde unbedingt immer ein Hai kommen, da die lieben Vierbeiner bekanntermaßen Rudeltiere sind, manchmal etwas kopflos, und man braucht den Hai als Einheizer. Es kommt einem spontan das Bild eines kurz vor dem dritten Herzanfall stehenden Managers in den Sinn, mit Sportwagenschlüssen in der einen und Coffee to go in der anderen Hand. Außerdem sollte auf diese Gruppe immer eine Giraffe kommen, nicht um den Überblick zu behalten, sondern als Lieferant für gute und kreative Ideen, also der Geisteswissenschaftler im Wolfsrudel der Ökonomen. Schlussendlich sollte es immer ein bis zwei Eulen geben, die als korrekte Paragraphenlyriker den anderen erklären wo es lang geht, und den Hai von allzu fiesen Eroberungszügen abhalten.

Also: alles ganz einfach. Anstatt sich teure Consulting-Firmen zu leisten sollten unsere Firmenbosse einfach mal in den Zoo gehen oder in das industrielle Herz Nordrhein-Westfalens pilgern und sich beraten lassen, welches Pferd noch zugekauft werden sollte. Und vielleicht hätte Herr Zumwinkel eher die Eigenschaften einer Eule annehmen sollen, nachtaktiv und mit sehr guten Augen bestückt hätte er wohl die Steuerfahnder nahen sehen. (ls)

Freitag, 9. Mai 2008

BONBONNIÈRE (14)

Irgendwie müssen die Dänen die Fußball-EM ja überbrücken. Wenn sie schon niemand mitspielen lässt. Während Deutsche, Holländer und sogar Schweden sich im Juni auf Fanmeilen und in Biergärten tummeln werden, bleibt den Dänen nur eines: das Kino. Mit „…og det var Danmark“ („…und das war Dänemark“) läuft heute ein Film an, der den einzigen fußballerischen Erfolg der allgemeinen Landesgeschichte dokumentiert. Quasi das dänische – Entschuldigung, der Begriff ist an dieser Stelle unvermeidbar – Sommermärchen. Denn, und das vergessen die meisten, Dänemark war mal Europameister. Damals, 1992, war das. Zu einer Zeit, als ein gewisser Lothar Matthäus bereits durch unqualifizierte Äußerungen auffiel und der Libero (sowohl Matthäus als auch die Position an sich) noch nicht in der Tiefe des Raumes verschwunden war. Das mit dem EM-Titel für Dänemark passierte damals mehr so aus Versehen.
(Stichwort Versehen: Die Spieler des 1. FC Kaiserslautern durften heute vor zehn Jahren die Meisterschale in den Pfälzer Himmel recken. Dabei war man gerade erst aufgestiegen und das Ganze deshalb eine unverfrorene Frechheit! Angeblich handelt es sich bei dem 1. FCK, der zurzeit gegen den Abstieg in die dritte Liga kämpft, um den gleichen Verein.)

Nun also ist endlich mal jemand auf die Idee gekommen, den dänischen Weg zum Titel zu verfilmen. Dabei ist das Drehbuch längst geschrieben und könnte schöner nicht sein:
Dänemark hatte sich eigentlich gar nicht qualifiziert, konnte kurz vor dem Turnier aber noch nachrücken, da Jugoslawien wieder disqualifiziert wurde. Die politischen Vorgänge auf dem Balkan fand man auch bei der UEFA nicht so witzig. Brian Laudrup, Peter Schmeichel und Co. mussten geradezu vom Hotelpool ins Trainingslager wechseln. Trotzdem schafften sie praktisch ohne Vorbereitung ein 0:0 gegen England (Was machen die eigentlich während der EM?). Nachdem man noch kurz Frankreich (Eric Cantona!) links liegen gelassen hatte, stand die Urlaubstruppe auch schon im Halbfinale. Die Niederlande wurden hier im Elfmeterschießen abgewatscht und zu allem Überfluss behauptete Flemming Povlsen auch noch, man würde sich hauptsächlich von Big Mäcs und Cola ernähren und das alles gar nicht so ernst nehmen. Wie bitte?! Noch kurz das Endspiel: Zwei Tore gegen Deutschland und die Sache war geritzt. Wobei die Deutschen zu dem Zeitpunkt laut Aussage des Kaisers ja eigentlich nicht zu besiegen waren…

Ob Nationaltrainer Richard Møller Nielsen nach dem Finale wohl wehmütig wurde? Ob er wohl darüber nachdachte, dass Dänemark über Jahre hinaus unschlagbar wäre, könnte man noch über das fußballerische Potential Norwegens, Südschwedens und Schleswig-Holsteins verfügen?
Wie auch immer: In diesem Jahr werden sich die Jensens, Larsens und Kristiansens wohl nicht aus den Liegestühlen – und Kinosesseln – erheben und die Sommerhäuser verlassen müssen. Sollte Frankreich nicht noch kurzfristig die Wallonie übernehmen wollen oder die Schweiz eine EU-Bewerbung androhen, dann wird wohl kein Startplatz mehr frei werden.

Doch eine Warnung sei ausgesprochen: Die Bundesligaclubs sollten Obacht walten lassen, dass ein ausgeruhter Peter Løvenkrands und ein tatendurstiger Søren Larsen nicht plötzlich auftrumpfen, Tore schießen und die kommende Saison die ihres Lebens wird. Die beiden Dänen sind nämlich – noch – in Gelsenkirchen unter Vertrag. Und eine Schalker Meisterschaft, das wäre so ein Versehen, das wirklich niemand braucht. (chö)

Freitag, 2. Mai 2008

BONBONNIÈRE (13)

Die Deutschen sind zu fett. Die Gründe dafür liegen auf der Hand, es wird zu viel, zu fettig, vitaminarm und einseitig, einfach so auf die Schnelle gegessen und nebenbei ist uns, den Deutschen, die Bewegungsfähigkeit – oder wenigstens der Wille dazu – ganz abhanden gekommen. Dabei könnte es doch alles so einfach sein. Ein bisschen gesundes Essen hier, ein wenig Bewegung dort und schwups steigen wir in den Dicken-Rankings ab. Es ist doch so simpel, geradezu banal, sich gesund, ausgewogen, vitaminreich und fettarm zu ernähren. Oder nicht?

Mutige Vorkämpfer gegen das fettige Übel sind schon lange nicht mehr die Wunder wirkenden Mittelchen der Diätindustrie, denn diese kamen über die Jahre in Verruf und werden zwar in Mengen, dafür aber heimlich eingenommen. Vielmehr bemühen sich Lebensmitteldesigner, mit speziell entwickelten Produkten das Wohl des modernen Menschen auch in einer noch so schnellen und hochtechnologisierten Welt zu erhalten. Früh fängt diese sorgfältige Fürsorge der Industrie an, und damit der Einstieg in den Ausstieg aus der selbst bestimmten und selbst zubereiteten Nahrung. Der Mensch entfremdet sich zunehmend schneller seines Essens.

Mit der Fertigmilch „Mutterbrust“ kann die gut informierte Frau die optimale (eigentlich optimalere als die natürlich gegebene) Versorgung des Säuglings käuflich erwerben – der wahrscheinlich schönste Effekt ist eine zunehmende Geschlechtergleichberechtigung, denn nun kann endlich auch der Papa zum eigentlichen „Ernährer“ werden. Entspringt man dem zarten Babyalltag mit all seinem Babbel-Krabbel-Komfort (der das anstrengende Kauen von Dingen noch mit einschloss), gibt es ausreichend Kinderprodukte, die genug gesunde Süße enthalten und deren Verpackungen bunt genug aus den Regalen hervorstechen, um Kindern zu schmecken und zu gefallen. Wir sollen eben weiterhin auf den Geschmack des Guten kommen.

Im Jugendalter dann wird ein Schönheitsideal aufgebaut, das, wer hätte es gedacht, am besten und eigentlich fast ausschließlich mit den Super-Beauty-Produkten erreicht werden kann, denn „auch äußere Schönheit kommt von innen“. Schöne neue alte Erkenntnis. Der gestresste Arbeitende kann sich durch den Genuss von trinkfertig püriertem Frucht-Vitamin-Ballaststoff-Mineralien-Zeug nun endgültig optimal versorgen und für die Zukunft vorbereiten, denn irgendwann können wir eben nicht mehr kauen. Wie gut, dass wir in diesem Alter dann dem festen Essen eh schon abgeneigt sind, da die fertig pürierten Obst- und Gemüseportionen uns die Überzeugung vermittelt haben, dass kauen erstens der Zahngesundheit schadet und zweitens der Verzehr eines Apfels (unpüriert) viel zu lange dauert. Außerdem wiegt uns der Genuss von Fruchtpüree doch irgendwie in der vertrauten Sphäre der Kleinkindheit, damals, als die Welt noch gut und die Deutschen gesund waren.

Kennen Sie eigentlich noch Yakult? Eines der ersten Wohlfühlgetränke. Nein? Gesunde Ernährung scheint eben doch genauso trendy und kurzlebig zu sein, wie vieles andere auch. Industrie verlangt eben nach ständiger Innovation und der Kunde nach neuen Reizen. Zuletzt ein Trost an alle, die immer noch die Butter selbständig aufs Brot schmieren: Im Barock hätte man die neuen Körperformen bestimmt nicht bemängelt. (av)

Freitag, 25. April 2008

BONBONNIÈRE (12)

„Sie sind der schönste Regierungschef Europas“, so urteilte anno 2002 der Italiener Silvio Berlusconi über seinen dänischen Amtskollegen Anders Fogh Rasmussen. Und ging sogar noch weiter: „Ich muss Sie unbedingt meiner Frau vorstellen, Sie sind ja viel besser als der Philosoph Cacciari.“ Seiner Angetrauten Veronica Lario wurde dereinst ein Verhältnis mit dem Philosophen Massimo Cacciari, im Nebenjob Bürgermeister in Venedig, nachgesagt.
Vor kurzem drohte nun Angela Merkel auf der Skala der attraktiven Regierungschefs und -chefinnen nach oben zu rücken. Bei der Eröffnung der neuen Oper in Oslo verblüffte sie mit einem bisher nicht da gewesenen Outfit: Ein stilvolles Abendkleid mit tiefem Dekolleté! Wow! Viel wurde daraufhin an ihre Hosenanzüge erinnert, die meist blau oder grau, an guten Tagen auch mal rot, in jedem Fall aber hoch geschlossen sind.
Und nun das!
(Welche Gedanken der US-Präsidentschaftskandidaturbewerberin Hillary Clinton beim Anblick Merkels durch den Kopf geschossen sind, ist nicht überliefert. Auch kann nur spekuliert werden, ob sie Ehemann Bill, der ja auch schon mal außerehemäßig unterwegs war, einen Rat mit auf den Weg gegeben hat.)

Aber warum solch eine Aufregung um ein bisschen Seide und nackte Haut? Offensichtlich ist die Berliner Republik an Glanz und Glamour nicht gewöhnt. Die Celebrity-Geschichten spielen sich woanders ab. Sarkozy hat es irgendwie geschafft, ein ehemaliges Model in die Gemächer des Elysée-Palasts zu locken. Putin will sich seinen Ruhestand angeblich mit einer populären und nebenbei auch sehr attraktiven Sportlerin versüßen. Ob Bush Ähnliches plant, weiß man noch nicht. Und in Berlin? Glaubt man der Süddeutschen Zeitung („Verlebt in Berlin“, Ausgabe vom 19.04.2008), dann geht der gemeine Abgeordnete/Fraktionschef/Minister nach getaner Arbeit nach Hause – alleine wohlgemerkt. Was also tun?

Manchmal findet sich das Glück eben doch im Kleinen. – Hier sei noch einmal auf Dänemark verwiesen. Ein Land, das trotz seiner Größe mit einem wahren Superlativ ausgestattet ist: dem Titel „Mister Ministerpräsident“. – Das Gute liegt oft so nah, beziehungsweise die Lösung auf der Hand: Der ganze Regierungsapparat muss zurück nach Bonn! Die Stadt hat einfach das Potential zum Society-Zentrum! Nicht ohne Grund hat die Talkerin Maybrit Illner den Telekomchef René Obermann auserkoren. Der Bonner Sunnyboy brachte weltmännischen Glanz in ihre Berliner Runde. Das dürfte sich in der Hauptstadt inzwischen rumgesprochen haben, das mit dem Glamour der Bonner. Und man stelle sich nur einmal folgende Szene im Antlitz des beleuchteten Post-Towers vor: Die Kanzlerin in den Armen eines knackigen Jünglings. Im Abendkleid von Oslo. Und vorbei fließt der Rhein, mindestens so anmutig wie die Seine.
Ach, zu schön um wahr zu sein…(chö)

Freitag, 18. April 2008

BONBONNIÈRE (11)

Es hätte einem schon zu denken geben können, dass dieses beinahe nur mit Lupe auf der Landkarte zu erkennende Stück Erde noch nicht mal mit einem Stern in den Reiseführern ausgezeichnet ist. Doch auf der anhaltenden Suche nach paradiesischen Fleckchen dieser Erde verschlug es mich eines Wochenendes nach Andorra. Einzige Assoziation: Der Roman von Max Frisch. Doch was ist dieser Zwergstaat? Unverzeihlich das Versäumnis, sich nicht doch vielleicht vor Abreise etwas ausführlicher informiert zu haben. Nun war es zu spät; die Fahrt mit dem Bus (Zugverbindungen gibt es keine) in Richtung Pyrenäen und ein paar unvergesslicher Stunden konnte beginnen.

Das schlechte Gewissen aufgrund des mangelnden Interesses für dieses Land wurde bereits bei Ankunft vom Entsetzen abgelöst: Das Paradies ist es nicht, was einen dort erwartet – dafür beeindruckt einen geballte Hässlichkeit. Ein Tal und seine umliegenden Berge. Neben lieblos gepflanzten Kirschbäumchen steht eine Architektursünde neben der nächsten, und selbst das Regierungsgebäude ist dessen eines nicht würdig. Doch warum eigentlich Regierung, bei einer Einwohnerzahl von 76.900, die nicht einmal die einer größeren Kleinstadt übersteigt?

Andorra ist eine parlamentarische Monarchie. Jedoch scheint die Erinnerung, schon einmal etwas von einem andorranischen Monarchen gehört zu haben, irgendwo zwischen Spanien und Frankreich verloren gegangen zu sein. Dabei ist dieser auf allen Titelseiten: Nicolas Sarkozy, seines Zeichens Machthaber des politisch nur unwesentlich gewichtigeren Nachbarstaates und als „Omni-Président“ bekannt, herrscht auch über Andorra. Weniger dürfte es ihm gefallen, dass er nur einen Co-Fürsten stellt, denn der gleiche Posten steht dem sicher weniger bekannten Joan Enric Vives i Sicília, Bischof von Seul d’Urgell in Spanien zu. Wie die beiden aktiv die Geschicke des Landes lenken bleibt ungewiss.

Wirklich attraktiv scheint das Land nur einer Tatsache halber zu sein: Es gibt hier keinerlei direkte Steuern; weder Einkommens- noch Körperschaftssteuern, Vermögens- oder Erbschaftssteuern. Im Gegenzug gilt das Bankgeheimnis. So wirbt die offizielle Homepage auch ganz unverhohlen damit, die letzte echte Steueroase Europas zu sein. „Glücklich der, der sich hier ein neues Domizil aufbauen kann.“

Dem gilt es vehement zu widersprechen. Es mag sein, dass man in Andorra ein überdurchschnittlich hohes Einkommen und die weltweit höchste Lebenserwartung mit 83,5 Jahren vorzuweisen hat, doch sich zu Tode zu langweilen dauert wahrscheinlich einfach länger. Nicht ohne Grund ist der Alkohol dort so günstig wie nirgends anderswo. Und auch wenn die Frau seit kurzer Zeit wählen darf, so steht sie – erst einmal verheiratet – nie mehr vor der Wahl, denn die Scheidung ist in diesem hochkatholischen Land nicht erlaubt.

Und dennoch folgen Andosiner und Andosinerinnen ihrem Wahlspruch „Vereinigte Tapferkeit ist stärker“ und bleiben schön tapfer in ihrem kleinen Paradies. Eine Hoffnung aber bleibt: Vielleicht wird ihnen demnächst ein neues, mediales Interesse zuteil, wenn eine gewisse Angela Merkel erst einmal bemerken sollte, dass man dort in Andorra ja auch ganz gut sein Geld verstecken kann. (fgo)

DAS_PROJEKT

Was die von der SZ machen, können wir auch. Warum nicht selbst 'Streiflichter' schreiben? Die BONBONNIÈRE musste also her - der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten. Eine Dose voller Bon[n]bons und Bon[n]mots, jeden Freitag neu, verfasst von überambitionierten Autorinnen und Autoren aus Bonn und der Welt.

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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