BONBONNIÈRE (32)

Gewisse Situationen erfordern unverzügliches Handeln, Alarmismus, Ruckreden. Ruckedikku, Blut ist im Schuh, der Schuh ist zu klein, die Krise zu groß. Zu leicht entwischen uns in diesen Wochen des Zittern und Bibbern, des Zetern und Mordios, die Informationen, zu leicht gehen sie uns durch die Rezeptionsmaschen. Die Krise schwappt auf immer weitere Bereiche über, die Wasserstandsmeldungen überschlagen sich. Hypo Real Estate, Märklin, Hypo Real Estate, Schießer, Hypo Real Estate, Schaeffler, Hypo Real Estate, Opel, Schaeffler, Opel, Kölner Stadtarchiv, Opel, Opel, Opel. Bei Opel stehen 25.000 Existenzen auf dem Spiel, das verdrängt alles andere mehr und mehr aus den Schlagzeilen, dabei sind’s bei Schaeffler 30.000, das kannte aber gestern noch keiner. Opel kennt jeder, denn jeder Popel fährt einen, und darum ist’s auch systemisch, genau wie die Banken, denn wenn die Banken kranken, schwanken, wanken, kann der Rest gleich mit abdanken. Ohne Schießer kommen wir aus, schweren Herzens auch ohne Märklin, aber Banken sind systemisch, und Opel ist es auch. 25.000!

Verglichen mit 25.000 ist 7.200 noch nicht mal ein Viertel. Aber 7.200 sind immerhin mehr als die 2.000 Mitarbeiter von Schießer, die 2.000 von der Hypo Real Estate, die eh alles Scheißyuppies sind, und die 1.000 von Märklin zusammen. Also vergessen wir für einen Moment Opel und widmen wir unsere Aufmerksamkeit der NPD. Diese sympathische Massenmörderintegrationspartei steht vor der Zahlungsunfähigkeit. Von der Bundestagsverwaltung gibt's kein Cash mehr, und jetzt hockt die NPD da mit 110.000 Euro Personalkosten bei 30.000 Euro Einnahmen aus Beiträgen und Spenden, also einer Deckungslücke von 80.000 monatlich. Zudem stehen noch 1,9 Millionen Zahlungsverpflichtung ins Haus. Na klar, es gab auch Management-Fehler, zu viel Geld wurde in Möbelhäuser investiert (und in Kleiderständer bei kik?). Auch der Einstieg dieser V-Mann-Heuschrecken ist der Unternehmensführung nicht gut bekommen. Aber im Grunde genommen ist die NPD doch ein gesunder Volkskörper. In den Jahren 2004 bis 2007 hat die Partei teilweise elektorale Zuwachstraten hingelegt, auf die Ackermann in seinen kühnsten Träumen nicht zu hoffen wagt. AlsVolksverhetzungspartei ist die NPD einfach too big too fail.

Deswegen muss die Große Koalition jetzt verantwortungsvoll handeln und ein paar Staatsbürgschaften springen lassen. Nein, nicht Staatsbürgerschaften, schon gar nicht doppelte. Das würde die NPD allenfalls mittelfristig wieder auf die Beine bringen. Es muss jetzt unverzüglich gehandelt werden. Es geht ja nicht nur um 7.200 Parteimitglieder, die entgegen Gerüchten nicht alle vom Verfassungsschutz alimentiert werden, die mir nichts, dir nichts, auf der Straße stehen könnten, zum Leidwesen auch der Passanten mit Migrationshintergrund. Auch die NPD ist doch systemisch! Man muss sich von ihrer Polemik gegen die „Systemparteien“ nicht irritieren lassen: Ohne die NPD drohen in Ostdeutschland ganze Parteiensysteme zusammenzubrechen. Wenn Opel zusammenbricht, bleiben immer noch VW, Ford, Mercedes, BMW, Audi. Wer aber soll die Lücke füllen, die die NPD hinterlassen würde? Die DVU? Nach dem Rückzug ihres Chefinvestors Frey dem Untergang geweiht. Die Republikaner? Schon seit Jahrzehnten in Agonie. Das ambitionierte Start-Up des Ronald Schill war auch nur eine elektorale Blase. Das absehbare Verschwinden all dieser politischen Unternehmer vom Wählermarkt könnte eine weitere Expansionsphase der NPD einleiten, wenn nur die Bundesregierung bereit ist, bei der Überbrückung der derzeitigen Durststrecke Hilfe zu leisten. Bereits die Europawahl im Juni könnte der Partei wieder Spielräume verschaffen. Im Herbst stehen dann Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an, Hauptabsatzmärkte für die Demagogiebranche, außerdem noch die Bundestagswahl, da könnten sich die Nationaldemokraten doch wieder aus dem Quark strampeln. Geht die NPD jetzt in die Knie, da muss man den Tatsachen ins Auge sehen, stünden viele Protestwähler vor der Nichts-Wahl. (vb)
nm - 13. Mär, 10:25

"denn wenn die Banken kranken, schwanken, wanken, kann der Rest gleich mit abdanken"...

...ich find solche wortspiele ja super.
mal wieder voll doll toll gemacht!

christina.cph - 19. Mär, 23:06

genial!

mh. - 20. Mär, 17:44

in der tat.

christina.cph - 20. Mär, 21:21

matthias richling scheint hier rumgestöbert zu haben. gestern im "satiregipfel" war was mit npd und staatsbürgschaften. unverschämtheit!

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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