Freitag, 25. Juli 2008

BONBONNIÈRE (25)

„Land der Berge, Land am Strome, Land der Äcker, Land der Dome! Vielgeliebtes Österreich!“ Seit der EURO 2008 ist die Nationalhymne unseres Nachbarlandes ein paar mehr Menschen geläufig als vor der EM. Und wie es sich unter guten Nachbarn gehört, besucht man sich gelegentlich. Gut, das Verhältnis der beiden Nationen untereinander war nicht immer das Beste: die Österreicher klauten die Kirschen aus Nachbars Garten (Mozart), während uns die Aufgabe zukam die Auswucherungen begrenzender Dornenhecken abzuschneiden (Hitler).

Aber allem nationalistischen und patriotischen Kränkungen zum Trotz, gilt es die Österreicher zu beneiden und sei es nur für zwei Dinge: die Alpen und das Essen. Wer einmal einen 3000er Gipfel erklommen hat und mit dem Hochgefühl der Bezwingung der Natur sich unter dem Gipfelkreuz niederlässt erfährt Gottes Schöpfung ganz neu: Die Weite, die Stille und die majestätische Größe. Man scheint dem Himmel tatsächlich ein Stückchen näher zu sein. Wer mit wachen Augen durch Gottes schöne Natur wandert, wird so einiges entdecken und sich an vielen Kleinigkeiten erfreuen können: Hier zwei Steinböcke, die ihre Hörner im Kampf um die Gunst ihrer Angebeteten wetzen; dort ein Adler der lautlos im Wind seine Kreise zieht; und am Wegesrand blüht der Enzian in seinem königlichen Blau. Wenn man dann nach einem solchen, Körper und Geist erfrischenden Erlebnis am Abend in einer Berghütte einkehrt, fängt der Hochgenuss für den Gaumen erst an: Leberknödel, Tiroler G’röstl, Käsespätzle, Tiroler Speck, Topfen- und Apfelstrudel und natürlich der Kaiserschmarrn…

Aber jede Medaille hat ja bekanntlich zwei Seiten: Kopf und Zahl, Sommer und Winter. In den letzten Jahren wird das erleben der unberührten Natur im Sommer immer schwieriger. Denn anstelle Wanderpfaden und Kühen dominieren Schotterstraßen und Lastwagen die Bergidylle. Und wem haben die Wandersleut das zu verdanken? Dem Skihasen! Dabei handelt es sich um eine Sorte Mensch, der meint, er müsse in seinem Urlaub Skifahren, auch wenn es nicht ausreichend geschneit hat. Und die Schluchtenscheißer tun ihm auch noch den Gefallen: Sie bauen Skilifte auf die entlegensten Gipfel und legen riesige Rückhaltebecken an, um im Winter ausreichend Wasser für den Kunstschnee zu besitzen. Und nicht, dass das Wasser aus einer Bergquelle genommen wird, nein, das wäre zu einfach: Man pumpt es aus dem Tal hoch! Und der Skihase, den stört es einen Sch…dreck, dass die Natur dadurch immer mehr verschandelt wird. Er sieht die Folgen seines Tuns, das mehr aus dem Après- als aus dem aktiven Ski besteht, ja nur im beschaulichen Winterkleid.

Den Schluchterscheißern sei daher geraten sich anstatt um eine neue Regierung zu bemühen sich lieber um eine neue Nationalhymne Gedanken zu machen. Mein Vorschlag:
„Land der Berge! Land der Geldströme! Land der Skilifte! Land des Après-Skis! Vielmissbrauchtes Österreich!“ (sm)

DAS_PROJEKT

Was die von der SZ machen, können wir auch. Warum nicht selbst 'Streiflichter' schreiben? Die BONBONNIÈRE musste also her - der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten. Eine Dose voller Bon[n]bons und Bon[n]mots, jeden Freitag neu, verfasst von überambitionierten Autorinnen und Autoren aus Bonn und der Welt.

DIE_AUTOREN

Die jeweiligen Autorinnen und Autoren verbergen sich hinter dem Kürzel in den Klammern am Ende des Textes. Wer das ist steht hier:
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'BONBONNIÈRE_ Der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten' wird herausgegeben von marc holzenbecher, Bonn

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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