BONBONNIÈRE (2)

Sieben Uhr. Ante meridiem, a.m., morgens. Was ist das für eine Uhrzeit? Um sieben Uhr morgens klingeln Wecker. Kinder vom Land warten auf den Schulbus. Studenten erholen sich von der letzten Party. Staatsanwälte klingeln mit einem Haftbefehl an Kölner Villentüren.

Klaus Zumwinkel saß um kurz nach sieben mit Sicherheit senkrecht im Bett. Seine Kinder – sollten sie vielleicht den Haustürschlüssel verloren haben und jetzt von der Party am Vorabend keine andere Zuflucht als ihr Elternhaus wissen? Oder erlaubten sich wartende Schulkinder einen Scherz, um die Langeweile zu vertreiben? Der Wecker hört sich mit Sicherheit anders an. Im Internet war mehrmals zu lesen, der Post-Chef habe bemerkenswert lange gebraucht, bis er die Wohnungstür geöffnet habe. Eigentlich könnte man durchaus erwarten, dass man gern gesehene Gäste auch um sieben Uhr a.m. gerne hinein bittet und ihnen einen Kaffee anbietet, ohne sie warten zu lassen. Keine Bademäntel, gestörte Tiefschlafphasen oder Out-of-Bed-Frisuren. Nein… Man kann natürlich erwarten, dass Frau Zumwinkel sorgfältig frisiert um sechs Uhr dreiundfünfzig in der Diele wartet, während der Kaffee leise und dampfend durch die Kaffeemaschine tröpfelt und die Gäste endlich um sieben Uhr s.t. klingeln.

Wartenlassen macht verdächtig. Das passt ja auch in die ganze Szenerie, ein Wirtschaftskrimi wie aus dem Bilderbuch, Skandal! Der Fall fing schon äußerst obskur an: Der Bundesnachrichtendienst gab den heißen Tipp, dann Polizei, Razzia, Nacht-und-Nebel-Aktion, sogar wörtlich genommen, denn nebelig war es heute Morgen. Das riecht nach Agententhriller. Wer weiß, vielleicht hat er noch schnell ein paar Euro nach Liechtenstein überwiesen, bevor er die Tür öffnete. Bestimmt hat er Akten mondän mit einem Streichholz verbrannt, und deswegen mussten der freundliche Herr Staatsanwalt so lange warten.

Ein bisschen riecht Zumwinkels Geschichte aber auch nach TKKG. Ein schlichtes Haus, groß, aber normal. Ein – zugeben reicher, aber dennoch – gewöhnlicher Stadtteil in einer Großstadt. Ein erfolgreicher, wohlhabender Mann – mit einer verbreiteten, menschlichen Schwäche, dem Streben nach noch mehr Reichtum.Und eine Familie, die morgens um sieben Uhr, ante meridiem, ein paar Minuten braucht, um die Tür zu öffnen – weil sie noch im Bett liegt. (dle)

DAS_PROJEKT

Was die von der SZ machen, können wir auch. Warum nicht selbst 'Streiflichter' schreiben? Die BONBONNIÈRE musste also her - der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten. Eine Dose voller Bon[n]bons und Bon[n]mots, jeden Freitag neu, verfasst von überambitionierten Autorinnen und Autoren aus Bonn und der Welt.

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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