BONBONNIÈRE (3)

„Deutsche, bitte erobert uns“, forderte der Führer der italienischen außerparlamentarischen Opposition Beppe Grillo jüngst in der ZEIT. Das italienische Volk werde sich ohne einen Schuss ergeben und die deutschen Soldaten mit Blumenregen begrüßen, wenn sie ihnen nur die italienischen Politiker abnähmen. Natürlich ist Beppe Grillo nicht nur APO-Duce, sondern auch Starkomiker. Nichtsdestotrotz ist die Frustration der Italiener über ihre politische Kaste real. Und allzu verständlich. Sie sollten aber die deutsche politische Kaste nicht überschätzen, die in großkoalitionärer Bräsigkeit zweifellos diese einmalige außenpolitische Gelegenheit verpuffen lassen wird. Eine Woche ist der Appell nun alt, und es gibt noch nicht einmal ein Statement von Pofalla. Dabei wäre der doch als CDU-General ausnahmsweise tatsächlich mal zuständig. Auch von Vorwärtsverteidigungsminister und Chef-Ego-Shooter Franz-Josef Jung und dem größten Feldherrn aller Nachkriegszeiten Guido Westerwelle ist nichts zu hören. Wir brauchen endlich eine ernsthafte politische Debatte über einen Italienfeldzug. Nur, weil das Koalitionsklima angespannt ist, es keinen entsprechenden Passus im Koalitionsvertrag gibt und im Herbst Landtagswahlen in Bayern anstehen, kann man so eine zentrale Frage doch nicht bis 2009 liegen lassen!

Zugestanden, Auslandseinsätze der Bundeswehr sind unpopulär. Aber die Aussicht auf Lebensraum im Süden wird nach anfänglicher Aufgeregtheit zumindest die Toskana-Fraktion umstimmen. Zumal Grillo ja einen Blitzsieg ohne Blutvergießen verspricht. Neapel ist nicht Kabul. Es gibt hier weder Taliban noch Mullah Omar, nur Tagliatelle und Müll-Omertà, und sowohl die Teigwaren als auch den Unrat importiert Deutschland heute schon mit Freude.

Schon aus humanitären Erwägungen ist eine Intervention in Italien unabweislich. Historisch liegt die besondere Verantwortung Deutschlands (Achse Berlin-Rom) auf der Hand. Aber auch nüchterne deutsche Interessen gebieten den Einsatz: Sind die versprengten Forza-Italia-Schergen und die Lega-Nord-Allianz erst einmal befriedet oder in Lager abgeschoben (hier kann Deutschland auf älteres Herrschaftswissen zurückgreifen) und ist der failed state mit dem gründlichen deutschen Regelungsgeflecht überzogen, wird Deutschlands Prestige nicht nur derart ansteigen, dass uns ein Sitz im UN-Sicherheitsrat – mit Vetorecht! – förmlich angedient wird (zumal dann kein Italien mehr quer schießt). Nein, auch andere benachbarte failed states wie das föderalismusgebeutelte Belgien werden uns um Unterwerfung anflehen. Auch einem Anschluss der Niederlande steht dann wohl nichts mehr im Weg, der uns erlaubt, die Weichen für die im Laufe der Klimakatastrophe auf uns zukommende Aufgabe der Integration von 16 Millionen Menschen in unser Gemeinwesen – anders als 1990 – rechtzeitig selbst zu stellen.

Berlin darf der Welt die Genesung am deutschen Wesen nicht länger vorenthalten. Oder wollen wir uns ewig mit der Rolle als Weltmeister der Herzen bescheiden? Mit einer um die italienischen Kicker angereicherten Nationalelf könnte uns bei der EM im Juni jedenfalls keiner was. Noch ein Grund, schnell zu handeln. Und wenn man schon mal in der Gegend ist: Wie wär’s denn vielleicht noch mit einem Abstecher nach Liechtenstein… (vb)
dle - 22. Feb, 16:03

Spannend! Kreativ! Einfallsreich!

Von LENA D.
Köln - Lena (20) ist begeistert: "Die Beziehung Deutschland-Italien gibt einiges her - schön, dass das endlich mal einer aufnimmt!" Voll des Lobes zeigt sich die angehende Journalistin. Doch bleiben Befürchtungen: "Artikel wie dieser könnten den Eindruck erwecken, bei der Bonbonniere schreiben ausländerfeindliche Autoren." Dabei könne davon doch gar keine Rede sein: "So friedlich wie ein Rheinländer ist niemand!"

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Was die von der SZ machen, können wir auch. Warum nicht selbst 'Streiflichter' schreiben? Die BONBONNIÈRE musste also her - der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten. Eine Dose voller Bon[n]bons und Bon[n]mots, jeden Freitag neu, verfasst von überambitionierten Autorinnen und Autoren aus Bonn und der Welt.

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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