Freitag, 11. April 2008

BONBONNIÈRE (10)

Kurt Biedenkopf wurde seinerzeit als Ministerpräsident von Sachsen König Kurt genannt. Zwölf Jahre lang dauerte seine Herrschaft. Eine aufgeklärte Monarchie wird man sie schwerlich nennen können. König Kurt stand eher in der Traditionslinie des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Die absolute Mehrheit machte ihn zu einem absoluten Herrscher, der sein Reich als sein Eigentum betrachtete. Von schwedischen Möbelhändlern, die er in selbigem zu dulden beliebte, forderte er im Gegenzug Tribut in Form von Rabatten für seine königliche Gemahlin nicht bloß in Höhe des traditionellen „Zehnten“, sondern gar von 15 Prozent (also anderthalb Zehnten) ein.

Kurt Beck nennt niemand König, und wenn, dann schwingen mindestens achteinhalb Zehnte Spott mit. Dabei hat er den sächsischen Potentaten schon um zwei Regierungsjahre überholt und ist der dienstälteste Landesfürst. Mit absoluter Macht und ohne die Hilfe seines Brüderles herrscht er zwar erst seit zwei Jahren; dafür erstreckt sich seine Rheinland-Pfalz fast 600 Morgen weiter als das Reich des Sachsenkönigs. Und seine Macht endet nicht an den Landesgrenzen, hat sich ihm doch vor zwei Jahren aus freien Stücken und Mangel an Alternativen die ganze Sozialdemokratie unterworfen.

Trotzdem ruft Kurt Beck eher die Assoziation an den im Vokalvortrag vergleichbar bräsigen Hit der auslaufenden Achtziger „Hier kommt Kurt, ohne Helm und ohne Gurt, einfach Kurt“ hervor. Ohne Helm und ohne Gurt hat er auch seinen Strategiewechsel in Sachen Linkspartei verkündet. Und ohne Konsultation der Parteigremien, einfach Kurt eben. Wobei das der König von Sachsen nicht anders gehalten hätte. Aber in seinem Königreiche hätten sich die Hofschranzen angesichts einer solchen ordre de mufti eilfertig in den sächsischen Mischboden geworfen und die weise Entscheidung des großen Königs um die Wette gepriesen. Nicht eine Stimme hätte sich im Reiche Sachsen erhoben, um eine Urwahl desjenigen zu fordern, der in die Wahlschlacht gegen die Imperatrix ziehen soll. Nicht wenige Vasallen sammeln sich hinter dem Kronprinzen Frankwalterich, dem sie eher zutrauen, Angela von der Uckermark zu schlagen. Auch der Pfalzgraf selbst traut ihm das eher zu. In einem direkten Duell mit Beck hätte die Imperatriene jüngsten Umfragen zufolge ein Fünffaches an Wählerscharen hinter sich. Unendliche Schmerzen.

Prügel würde wohl auch Frankwalterich kassieren, wenn auch nicht ganz so derbe. Das Imperatränentier scheint im Felde unbesiegbar, und das sagt eigentlich schon alles über alle, über den Pfalzgraf, über seinen Kronprinzen und über die Wählerscharen (nur über den Sachsenkönig, da sagt es nichts). Daher hat Fürst Kurt wahrscheinlich gar nichts dagegen, anstatt seiner Frankwalterich in den Tod reiten zu lassen. Ritte er selbst, verlöre er wohl die Herrschaft über die Sozialdemokratie und binnen Jahresfrist wahrscheinlich auch jene über seine Pfalz. Die SPD würde Frankwalterich aufs Schild heben, oder in ihrer Verzweiflung vielleicht gar den Roten Wowereiter, der Seit’ an Seit’ mit Oskar dem Schrecklichen in den Kampf gegen Angela II. zöge.

Aber der Pfalzgraf will dann doch selbst bestimmen, den Dauphin vorzuschicken. Par ordre de mufti, wie es eines Königs würdig ist. Und ab und an träumt er dann doch vom Schlusschoral des Hits der späten Achtziger, in dem die Masse skandiert: „Wir woll’n Kurt“. (vb)

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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