Freitag, 20. Juni 2008

BONBONNIÈRE (20)

Auch dieses mal wird der geneigte Leser nicht um das Thema Europameisterschaft herumkommen (und damit es schon an dieser Stelle keinen Ärger gibt sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass ich natürlich die UEFA EURO 2008 [TM] (C) (R) (ETC) (PP) meine).

Letzte Woche kam ich in den Genuss eines grandiosen Spiels, Rumänien gegen Italien. Im Züricher Letzigrund Stadion, welches klein, mit Leichathletikanlage und ohne wirkliche Stimmung ist. Und das, obwohl ich das Vergnügen hatte, in der italienischen Fankurve zu sitzen! Das Problem war nämlich, dass durch die grausame Akustik auf den Rängen jegliche Art des Fangebrülls schon nach fünf Metern irgendwo in der Züricher Bergluft verloren ging. Ich bin mir sicher, dass sich die Spieler auf dem Platz wie bei einem Trainingsspielchen vorgekommen sein müssen. Immerhin hatten die Trainer dort wahrscheinlich nicht mit dem Jogi-Problem zu kämpfen, sich erst durch intensives Schreien und Verlassen der Coachingzone verständlich machen zu können.

Interessant war auch zu beobachten, was für Heerscharen an Fotografen zugegen waren. Und wo diese sich mehrheitlich nach dem Shooting der Mannschaftsfotos platzierten. Während sich hinter Bogdan Lobont, dem Torhüter der Rumänen, eine Wand von Linsen aufbaute, befand sich der Balljunge hinter Gianluigi Buffon allein auf weiter Flur. Wie die allgemeine Erwartungshaltung war ließ sich also unschwer erraten.

Das Gesangsrepertoire der Fanblöcke – so man denn doch mal etwas hörte – war äußerst unterschiedlich. Die Rumänen verfügen scheinbar nur über ein bis zwei Lieder, die sie aber alle zehn Minuten anstimmten. Frei nach Heribert Faßbender: Und nun singen die Fans „Rooomââânia, Rooomââânia“, was so viel heißt wie „Rumänien, Rumänien“.
Die Italiener hingegen waren schon einfallsreicher. Leider waren ihre Texte jedoch etwas komplexer und da ich zusätzlich dem Italienischen nicht mächtig bin, kann ich leider nicht wiedergeben, welch wundervolle Anfeuerungsrufe dort feilgeboten wurden. Sicher ist nur: Sie beherrschen ihre Nationalhymne mit einer solchen Inbrunst, dass man sich des Mitsingens nur schwer entziehen kann. Ja, ich gestehe: Ich habe es getan. Ich habe die italienische Nationalhymne mitgesungen. Dank des auf der Videoanzeige eingeblendeten Textes und der Tatsache, dass man einfach alles so ausspricht, wie’s geschrieben steht, konnte ich einfach nicht anders.

Und außerdem, wenn man mal ehrlich ist: Die italienische Hymne ist wenigstens eine richtige Hymne. Da wird ähnlich wie bei den Franzosen („Vorwärts, marschieren wir! Damit unreines Blut unserer Äcker Furchen tränke!“) mit martialischem Vokabular („Wir sind bereit zum Tod, Italien hat gerufen!“) gearbeitet, wohingegen man bei der Hymne Österreichs („Land der Berge, Land am Strome, Land der Äcker, Land der Dome“) höchstens gegen die einsetzende Müdigkeit zu kämpfen hat.

Achja, das Spiel endete übrigens 1:1. Besondere Vorkommnisse: Buffon hält einen von Mutu geschossenen Elfmeter. Da werden sich einige Fotografen geärgert haben.(jt)

DAS_PROJEKT

Was die von der SZ machen, können wir auch. Warum nicht selbst 'Streiflichter' schreiben? Die BONBONNIÈRE musste also her - der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten. Eine Dose voller Bon[n]bons und Bon[n]mots, jeden Freitag neu, verfasst von überambitionierten Autorinnen und Autoren aus Bonn und der Welt.

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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