Freitag, 27. Juni 2008

BONBONNIÈRE (21)

Kann es für diese Glosse ein anderes Thema geben als den Finaleinzug der deutschen Nationalelf? Schön gespielt hat sie nicht, aber mal wieder das Bonmot des englischen Kickers Gary Lineker bestätigt: Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Spieler hinter einem Ball herjagen, und am Ende gewinnt immer Deutschland. Dabei sah es bei dieser EM so aus, als gewinne am Ende immer die Türkei. Wenn sie gewann, gewann sie jedenfalls am Ende – gegen die Schweiz, gegen Tschechien, gegen Kroatien. Und die deutsche Mannschaft hat ihre Klasse schon dadurch bewiesen, dass ihr gelungen ist, was weder Schweizern noch Tschechen noch Kroaten gelingen wollte: last-minutiger zu treffen als die Last-Minute-Türken.

Aber vielleicht gibt es für diese Glosse ja auch ein anderes Thema als den Finaleinzug der deutschen Nationalelf. Denkwürdiger als das Spiel an sich war ja ohnehin das ausgefallene Bildsignal. Der erste Ausfall dauerte 6 Minuten und 10 Sekunden. Genug Zeit für GEZ-Sünder zu reflektieren, ob sie nun gerade die Quittung für ihre Gebührenunwilligkeit bekamen, ob die Störung darauf zurückzuführen war, dass das von ihnen um seine Beiträge geprellte ZDF nur qualitativ minderwertige Leitungen verwenden konnte. Anscheinend war ja schon kein Geld für richtige deutsche Fahnen vorhanden. Von wegen „Mit dem Zweiten sieht man besser“ – bei der zweiten Störung wurde fix auf das Signal des Schweizer Fernsehens umgeschaltet. Allerdings lag der Fehler nicht beim ZDF: Außer dem Schweizer Fernsehen und Al-Dschasira (Verschwörungstheoretiker aufgepasst!) sind alle Fernsehstationen verpflichtet, das offizielle Fernsehsignal der Uefa aus Wien zu verwenden. Bei so viel zentralistischer Gängelung kann es den Iren niemand verdenken, dass sie gegen die Vertrag von Lissabon gestimmt haben.

Das wäre doch mal ein Thema gewesen für diese Glosse statt immer nur Fußball. Oder die Pläne der SPD, die Altersteilzeit zu verlängern. Deren staatliche Unterstützung sollte Ende 2009 gestrichen werden. Nein, nicht die der SPD, die der Altersteilzeit. Jetzt will die SPD die staatliche Förderung bis 2015 beibehalten, um die Rente mit 67 abzumildern.

Die SPD steht ja derzeit in dem Ruf, sich nicht mit den Sorgen der Menschen, sondern immer nur mit sich selbst zu beschäftigen. Insofern lassen die Pläne zur Verlängerung der Altersteilzeit aufhören. Hat Kurt Beck nicht gerade gesagt, er klebe nicht an seinem Stuhl?
Österreichs sozialdemokratische Partei hat die Altersteilzeit bereits in eigener Sache angewendet und ihren Vorsitzenden Gusenbauer in selbige geschickt. Dem Namen nach bleibt er zwar Parteivorsitzender. Er kriegt aber einen „Geschäftsführenden Parteivorsitzenden“ zur Seite gestellt. Im Oktober macht er dem (drei Monate!) Jüngeren dann endgültig Platz und zieht sich auf sein Kanzlerteil zurück. Mit 48 gehört man bei unseren Nachbarn offenbar schon zum alten Eisen. Aber was muss ein Mann schon leisten im Leben? Einen Baum pflanzen, seinen Keller ausbauen und ein Kind mit seinem Kind zeugen.

Das wäre doch mal ein Thema gewesen für diese Glosse. Oder für das heute-journal und die Tagesthemen. Vor allem die Tagesthemen verlieren ja seit einiger Zeit an Zuspruch und -schauern, gerade beim Publikum diesseits der Altersteilzeit. Und jetzt kriegen sie in jeder Halbzeitpause der EM ein Millionenpublikum, darunter auch viele junge Zuschauer, auf dem Silbertablett serviert – und alles, was ihnen einfällt, ist, sich anzubiedern und… Fußball zu zeigen: Ausschnitte des Spiels vom Vortag, Bericht aus dem deutschen Mannschaftsquartier, Live-Schaltung zur Fanmeile, Wetter. Glauben die tatsächlich, dass auch nur einer ihrer t-EM-porären Zwangszuschauer wieder zuschalten wird, wenn es am Vortag keine Spiele mehr geben wird, wenn das deutsche Mannschaftsquartier geräumt und alle Fanmeilen eingerollt sind? Wegen des Wetters?

Schade, dass es kein Thema gibt für diese Glosse außer Fußball…
Finale, oho. Finale, ohohoho. (vb)

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Was die von der SZ machen, können wir auch. Warum nicht selbst 'Streiflichter' schreiben? Die BONBONNIÈRE musste also her - der Spielplatz für Gelegenheitsweltliteraten. Eine Dose voller Bon[n]bons und Bon[n]mots, jeden Freitag neu, verfasst von überambitionierten Autorinnen und Autoren aus Bonn und der Welt.

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Zuletzt aktualisiert: 21. Mai, 18:17

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